Samstag, 14. September 2013

Hermann Hesse war angetan



Das Lebensrad, das Rad der Existenzen, die Wiederkehr des Immergleichen - umklammert von dem Dämon der Zeit

Es fällt auf, daß die abstrakte Denkfigur der Wiederholung stark mit dem konkreten Dämon kontrastiert.  
(Quelle: Wiki.)



“Immer noch, auch in der fernsten Versenkung, war er seines Vaters Sohn gewesen, war Brahmane gewesen, hohen Standes, ein Geistiger. Jetzt war er nur noch Siddartha, der Erwachte, sonst nichts mehr.” 
(Hesse, Siddartha, st S. 37)

Die Wendung gegen die Standesherkunft und gegen die Bedeutung der Herkunft gestaltet Hesse hier sehr deutlich.

So anschaulich ging es bei dem Lama Pagba nicht zu. Die religiöse Kunstlehre des Buddha war im 13. Jahrhundert bereits verwurstet worden zu kanonischen Büchern wie der “Nutzung des Guten Gesetzes” und der “Schatzkammer des Abhidharma”. (Buddh. Dogmatik, Klaus Sagaster, Weltbild des Buddhismus, Vortrag 11.9.13 Ak. d. Wiss. NRW). Und daraus schöpfte Pagba zur kronprinzlichen Information für Cinggim.
Die Schrift ordnet und erklärt die Welt aus der Sicht des tibetischen Obermönchs und seiner Schule.
Da gibt es die Dinge und die Lebewesen, letztere umfassen 6 Arten:
1. Höllenwesen  2. Hungergeister  3. Tiere  4. Menschen  5. Halbgötter  6. Götter (27 Klassen)
Sie bewohnen 4 Kontinente mit ihren tausend hoch drei Weltbereichen.

4 Wahrheiten gibt es: 1. Die Wahrheit vom Leiden  2. Die Wahrheit von der Ursache des Leidens  3. Die Wahrheit von der Aufhebung des Leidens  4. Die Wahrheit vom Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt. (Sagaster)  

Wenn auch eine Kastenordnung nicht vorkommt, so erscheint doch alles sehr geordnet und  bis zur Absurdität zahlreich gestuft vom Unteren zum Höheren. 
Höchsten Rang besitzt die “Formlosigkeit” und Körperlosigkeit. Jeder Mensch kann zum Buddha werden, zum Erwachten, indem er die Welt der Dinge und der Menschen hinter sich läßt und sich entäußert ins Allgemeine. Auf diesem Wege vermag er der Welt des Leidens und der Wiedergeburt zu entkommen und in der Formlosigkeit und dem Frieden des Nirwanas auzufgehen.
Entsprechend gestaltet Hesse das Ende der Person des Siddarthas als depersonaliertes, entleertes, erlöstes Eingehen in den Frieden:

“Er sah seines Freundes Siddarthas Gesicht nicht mehr, er sah stattdessen andre Gesichter, viele, eine lange Reihe, einen strömenden Fluß von Gesichtern, von Hunderten, von Tausenden, welche alle kamen und vergingen, und doch alle zugleich dazusein schienen, welche alle sich beständig veränderten und erneuerten, und welche doch alle Siddartha waren.” (Hesse, ebd., S. 119)  

Das wäre dem Lama Pagba sicher zu salopp dargestellt, Kronprinz Cinggim hätte es aber vielleicht faßlicher gefunden als die buchhalterische Darstellung des Mönchs. Jedenfalls wurde ein Teil der Mongolen buddhistisch, und sie sind es bis heute geblieben. Buddhistischer auch als die Inder, aus deren Brahmanen-Kaste der Buddhismus, die religiöse Kunstlehre des Erwachens, hervorging. 
In Indien veredelte der Buddhismus den Hinduismus, was vielleicht dem hinduistischen Kastensystem größere Reformen ersparte, weil das Ideal der Weltflucht und Askese des arrivierten Buddhisten in der Welt selbst alles so erbärmlich, elend und stinkend beläßt, wie man es in Kalkutta und anderswo antrifft.