Samstag, 31. März 2012
Frühling mit Messer
Der Frühling will kommen,
Der Frühling, meine Freud’,
Nun mach’ ich mich fertig
Zum Wandern bereit.
So endet Schuberts letztes Lied von 1828, “Der Hirt auf dem Felsen”.
Für Schubert stand allerdings der Tod ins Haus, der ja nicht nur im christlichen Aberglauben auch eine Art Wanderung in den Frühling, in das ewige Licht darstellt.
“Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt”, heißt es im FAUST, und das ist so geblieben.
Allerhand Interessantes sendeten die Forschungsvehikel, so hat gerade die Sonde Cassini ihren bisher nahesten Vorbeiflug über den Südpol des Saturnmondes Enceladus absolviert.
Aber nirgendwo fand sich ein Hinweis auf Himmel oder Hölle. Das kann natürlich keinen gläubigen homo sapiens beeindrucken, denn sein Mythenbedürfnis ist sehr stark ausgeprägt, der TATORT oder Religion, das spielt keine Rolle, alles zu seiner Zeit oder nacheinander. Ob ostsibirische Jukagiren oder moderne geisteswissenschaftliche Schamanen wie Bruno Latour - sie sehen überall Geisteswesen am Werke, auch in den Dingen. Die zahlen zwar keine Steuern, aber mit Steuergeldern kann man schöne Konferenzen über Animismus veranstalten, den man auch überall in der Moderne auffinden kann, hat man denn die richtige geisteswissenschaftliche Wünschelrute:
“In der kapitalistischen Verfaßtheit der Moderne, wo Dinge beseelt sind und der Mensch verdinglicht wird, sollten wir den Erzählungen der Dinge Gehör schenken, die über das vertrackte Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt berichten.”
Ja, so. Wenn das der Herr Professor Michael Taussig aus Amerika auf der Konferenz in Berlin verkündet, dann muß ja etwas dran sein. Moderne und Animismus sind also kein Widerspruch. Da versteht man das bisher modernste Jahrhundert, das Zwanzigste, gleich besser. Schon am Anfang gab es moderne Musik, Schönberg, Strawinsky, dessen “Sacre du Printemps”, das Frühlingsopfer, primitiv rythmisch und zugleich sublim floral daherkommt und dessen Inhalt, das aufregende Abstechen einer russischen Jungfrau, die Mythenherzen höher schlagen läßt. Ja, Tod, Geisteswesen und Ritual gehören zusammen zur höheren Ehre des Geisteshäuptlings oder der Naturgeisterei. Auferstehung garantiert. Und so trafen sich Moderne und tödliche Archaik noch öfter in diesem Jahrhundert, Millionen wurden geopfert für neue Reiche, neue Gesellschaften, neue Menschen.
So war der alte Adam schon immer. Damit Neues werden kann, muß Altes sterben. Flüstert uns das nicht auch Taussigs Kapitalismus? Aber das ist vermutlich schon das Thema der nächsten Tagung. Sicher vor dem Ritualopfer aber ist nur das Denkopfer der animistischen Geisteswissenschaften.
(Vgl. "Auch moderne Dinge haben sprechende Seelen. Erst waren Begriffe wie "Fetischismus" oder "Animismus" für ferne Völker reserviert. Aber schon seit langem dringen sie in die Beschreibung moderner Gesellschaften ein: eine Berliner Tagung. So wurde der Animismus zum Baustein einer triumphalistischen Geschichtserzählung der Moderne ...", Stefanie Peter, FAZ 29.3.12)
Was mögen die Narzissen oben im Bild flüstern? Von Geistwesen zu Geistwesen?
Kalt, kalt, ist der Erde Gestalt,
acht Grad nur und windig,
aber der Frühling kommt bald.
Gut, gut.
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