Sonntag, 4. April 2010

Österlich betrachtet, ein maßloser Satansbraten? Autor, Kirche und Kritik




Die drei Grazien - vom Eise befreit, aber bei 8°C - ohne Mantel - dahinter "grünet Hoffnungsglück"





- " Sie sind (doch) ein Autor, der andere Autoren zu respektieren weiß, danke. "
(Es usted un autor que sabe respetar a otros autores, gracias!)
Fernando Pessoa

Ja, das waren noch Zeiten, in denen Pessoa schrieb, möchte man sagen, aber so war es nicht, so war er.
Und stets gab es die aggressiven Autoren wie Platon, die so ein paar fixe Ideen im Kopf hatten, die sie in einem Buch wie den "Politeia" unsterblich niederlegten, um sie dann auch möglichst selbst, wie Platon in Sizilien als Möchtegern-Diktator, in die Wirklichkeit zu überführen.
Ähnlich wie Platon verfuhr auch Marx, der mit toxischer Tinte schrieb und so verblendet war anzunehmen, sein meist ungewaschenes Köpfchen habe gerade das Gesetz der Weltgeschichte herausgefunden. Mit moderaten Autoren kann man moderat verkehren. Wie begegnet man den anderen, den radikalisierten, anmaßenden, bitterbösen?
Stets mit Kritik, kann man allgemein antworten, ohne Kritik gibt es weder individuelle Freiheit noch Wissenschaft noch eine kantische Selbstaufklärung des Publikums. Ohne individuelle Freiheit, Wissenschaft und Diskussion gibt es nur Glaube, Religion und Ideologie. Das ist zu wenig. Und sonst zählt der Einzelfall, der einzelne Autor, seine Haltung, seine Inhalte. Einen moderaten Autor wie Ratzinger kann man moderat kritisieren, und sollte das auch. Fanatisierte Geiferer wie Otto Köhler, die sich schon seit den Zeiten PARDONs danebenbenehmen, darf man als solche benennen, respektieren kann man sie in ihrem Haß, ihrer Verlogenheit und ihrer Verblendung nicht. Man muß sie auch nicht kritisieren, wenn sie sich in Kampfblättern wie der Zeitschrift Ossietzky (6.3.10) übelriechend auskotzen. Das mache, wer mag, wer sich mit solchem Unrat die Laune trüben lassen will.

Welch eine schöne, sanfte und kluge Lektüre erscheint dagegen die des protestantischen Theologen Friedrich Wilhelm Graf, der sich gerade in der Faz mit der Situation der Kirchen und ihrer Bedeutung für die deutsche Gesellschaft befaßte (Was wird aus den Kirchen?, 1.4.10). Sehr bedenkenswert. Aber sein Ansatz ist doch zu eng der staatlichen Perspektive verhaftet. Der Perspektive der Großorganisation. Klein ist meist lebendiger. Groß bedeutet Macht, und Macht korrumpiert immer, mal mehr, mal weniger. Viele kleine Kirchen sind zwei großen vorzuziehen, das stärkt den Wettbewerb, indem es den Übermut zügelt. Die seit langem zurückgehenden Mitgliederzahlen der Kirchen und Gewerkschaften sind erfreulich, weil sie Großorganisationsmacht begrenzen. Sie sind auch geeignet als Hinweis, sich Gedanken über die Kernkompetenz der Organisation zu machen. Soziale Wohlfahrt können kleine, zivile Organisationen auch bereitstellen. DGB und Kirchen sind dazu nicht notwendig, sie betreiben dieses Geschäft nicht zuletzt deshalb, um ihre Machtsphäre zu vergrößern. Graf würde das nicht abstreiten, aber macht sich doch zu viele Sorgen um die Erosion dieser Institutionen. Ein Blick nach Amerika zeigt, daß religiöses Leben durch eine Vielzahl von Kirchen und Sekten gestärkt wird. Und ansonsten klingen Goethes Worte immer noch weise, auch religionssoziologisch:
Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat auch Religion, wer diese beiden nicht besitzt, der habe Religion.
Die pantheistische Religion würde der systematische Theologe Graf doch hoffentlich gelten lassen?

- Die Notwendigkeit von Kritik trifft oft auf große Kritikempfindlichkeit. Niemand freut sich über Kritik, er kann sie aber, eine gewisse Persönlichkeitsreife vorausgesetzt, um die sich jeder bemühen und die schon wichtiger Teil der Erziehung sein muß, er kann sie als Handreichung für Überprüfung, vielleicht sogar zur Verbesserung betrachten.
Man denke an den hypersensiblen Autor Walser und den nußknackergroben Ranicki mit seinem albernen Liebesromanliteraturgeschmack und seiner krakeelenden Oberlehrerschau. Die beiden hätten am besten einen großen Bogen umeinander gemacht, statt sich anzugehen per Fernsehen und Buch ("Tod eines Kritikers"). Hilfsweise hätten sie sich um größte Freundlichkeit im Umgang miteinander bemühen müssen.
Moderate Formulierung hilft, Kritik erträglich zu machen. Aber sie fällt schwer, besonders, wenn es sich um sehr entfernte Perspektiven handelt. Wie soll man einen fanatisierten Geiferer wie Otto Köhler nennen, ohne an klarem Ausdruck einzubüßen? Einen linksradikalen Eiferer? Einen mit Gift angefüllten Demagogen? Einen haßerfüllten Polemiker? Gar nicht so einfach, die moderate, aber dennoch aussagekräftige Formulierung. Ist Köhler vielleicht, österlich betrachtet, ein maßloser Satansbraten zu nennen?
Ich stocke hier, wer hilft mir weiter fort?