Freitag, 21. August 2015

Autor Rafik Schami im DLF-Interview über die Sippe



„Scheck: Rafik Schami hat einen Feind, die Sippe. Sie schreiben, nichts wird sich in der arabischen Welt wirklich zum Besseren ändern, solange nicht die Macht der Sippe gebrochen wird.
Schami: Das ist meine These, und der bleibe ich auch treu. Die Sippe war eine geniale Erfindung, um die Wüste zu überleben. Wissen Sie, die Wüste ist freundlich für Touristen, aber sie ist lebensfeindlich. Durch die Sippe, das Teilen, alles teilen und zusammenhalten und nach außen sich einigeln, also sich so einigeln, dass alles von außen sich nicht einmischt. Sie hält zusammen, aber der Einzelne hat keinen Wert. Die moderne Zivilisation baut auf das Individuum, auf den einzelnen Menschen, auf seine Freiheit, auf seine Achtung, auf seine Forschung, auf seine Erfindungen. Deshalb haben wir ein Problem mit der Moderne. Unser Problem ist, die Sippe unterdrückt alle, dafür garantiert sie ihr Überleben. Unser Mensch ist geborgener als ihr Europäer, aber er ist willenloser. Er ist nicht fähig, seine Stimme zu erheben. Zum Beispiel wird bei uns das Wort Opposition sofort mit Verrat gestempelt, weil eine Opposition in der Sippe spaltet die Sippe. Und schon meldet sich das Überleben. Das ist jetzt eine Gefahr. In Europa ist Opposition nicht gerade beliebt, aber ist eine Notwendigkeit für die Demokratie. Eine Gegenstimme ist immer korrigierend für die Geschichte. Und deshalb glaube ich an keine Entwicklung, und wenn sie auch Politbüro-Kommunisten – die sind Schwager und Schwiegersohn und Vater und Tochter. Unsere kommunistische Partei wird vererbt. Die kommunistische Partei vererbt an die Witwe, und die Witwe hat sie jetzt dem Sohn vererbt. Damit Sie nur sehen, wie tief die Sippe in unseren Knochen gedrungen sind. Und daher, alles Vokabular, das wir abschreiben von der europäischen Kultur, hat keine Wirkung, solange wir die Sippe nicht zerschlagen. (...)
Schami: Richtig. Wenn Sie in Syrien einen Analphabeten als Cousin des Präsidenten im Kultusministerium ein Abteilungsleiter – Analphabet, Sie hören richtig – das kann nur in solchen Ländern passieren. (..) Aber eine sehr strukturierte Mafia hat den Staat abgebaut und hat etwas ähnliches. Es funktioniert auch. Gehälter werden bezahlt, Leute werden geschasst, Leute werden befördert, je nach ihrer Loyalität. Loyalität gilt. Nicht die Fachqualifikation, nicht die Anständigkeit, nicht die Ehrlichkeit. Es gilt, dass Sie Verwandter neunten Grades des Präsidenten sind, dann bekommen Sie den Posten. (...)“ (http://www.deutschlandfunk.de/rafik-schami-zu-syrien-eine-vererbte-demokratie-ist-keine.700.de.html?dram:article_id=328836)

Stamm, Clan und Sippe waren überall die einfachen Organisationsformen und sie sind es noch heute im Orient und in Afrika. Stammes- und Sippenführer herrschen praktisch unumschränkt, legitimiert durch Tradition. Das ist bei Clan-Chefs in Berlin nicht anders. Dazu kommt die deutsche Sozialhilfe:
„Die Grundsicherung hat aber auch eine adverse Wirkung auf die Integrationsbereitschaft der Migranten aus islamischen Ländern: Sie haben mit der Grundsicherung einen aus ihrer Sicht – im Verhältnis zu den Herkunftsländern – beispiellos hohen Lebensstandard. Das befreit sie von der Notwendigkeit, ihren traditionellen Lebensstil zu ändern, sich um Spracherwerb und Arbeit zu bemühen und ihren Frauen mehr abendländische Freiheiten zuzugestehen. So führt ein gerader Weg von der Grundsicherung zu den Parallelgesellschaften der islamischen Migranten.“
(Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 150) 
Und die Kinder?
“Nicht Kinder produzieren Armut, sondern Transferempfänger produzieren Kinder. Die Statistik scheint das zu belegen, denn in Deutschland bekommen diejenigen, die von sozialer Unterstützung leben, deutlich mehr Kinder als der vergleichbare Rest der Bevölkerung. Damit wächst in unserem Bildungssystem der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Unterschichtfamilien kontinuierlich. Nach Abschluß einer meist wenig erfolgreichen Schullaufbahn schlagen die wenig qualifizierten Kinder großenteils den Weg ihrer Eltern ein und bekommen wieder überdurchschnittlich viele Kinder. Systematische Unterschiede in der Fruchtbarkeit verschiedener Gruppen bedeuten in wenigen Generationen eine radikale Verschiebung der Bevölkerungsverhältnisse. Deshalb wird das unterschiedliche generative Verhalten von Unterschicht und Rest der Bevölkerung auf Dauer unsere Gesellschaft verändern …”
(Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 149f.)