Freitag, 11. Mai 2018

E. O. Wilson promovierte in Harvard






Wenn man schon nicht in Harvard studiert hat, sollte man wenigstens ein Buch von Harvard besitzen. Gedacht, bestellt. Bemerkenswert: das Buch wurde aus der Bibliothek ausgemustert und seit 1979 nicht ein einziges Mal ausgeliehen! Nun hat man schon viel vom Niveauverlust der amerikanischen Unis speziell in den Geisteswissenschaften gelesen und gehört, von den Hip-Hop-Lehrstühlen und der Infantilisierung der Studentenschaft - aber daß ein Buch eines prominenten Biologen zu einem bedeutenden Thema in Jahrzehnten nicht ein einziges Mal einen Leser fand, das erstaunt denn doch. Unser deutsch-amerikanischer Freund in Stanford, Gumbrecht, hat meines Wissens dazu noch nicht gesagt, das kommt hoffentlich noch. In Deutschland, im Land der linken Suhrkamp-Kultur, wurde das Buch “On Human Nature” nie übersetzt. Schade.
Der Autor E.O. Wilson wurde vielfach dekoriert und hat einiges zu bieten, zum Beispiel einen Blick nach Indien:
“In precolonial and British India, the upward social flow of daughters by marriage to higher ranking men was sanctified by rigid custom and religion, while female infanticide was practiced routinely by the upper castes. The Bedi Sikhs, the highest ranking priestly subcaste of the Punjab, were known as Kuri-Mar, the daughter slayers. They destroyed virtually all female infants and invested everything in raising sons who would marry women from lower castes.”
Wilson, Edward O.. On Human Nature (S.40). Harvard University Press. Kindle-Version.
Üb.: Im vorkolonialen und im britischen Indien heirateten die Frauen höherrangige Männer entsprechend dem streng beachteten Brauch und den Religionsregeln. Gleichzeitig praktizierten die höheren Kasten gewohnheitsmäßig die Tötung weiblicher Kinder. Die Bedi Sikhs, die höchstangesehene Priesterunterkaste im Pandschab, waren bekannt als Kuri-Mar, als Töchtertöter. Sie töteten praktisch alle weiblichen Kinder und setzten völlig auf die Aufzucht von Söhnen, die dann die Töchter niedrigerer Kasten heirateten.

Das Problem ist weiter akut, wie uns der Harvard-Psychologe Pinker in seinem Buch "Gewalt" von 2011 mitteilt: “Säuglingsmord an Mädchen steht heute weltweit auf der Tagesordnung, weil Volkszählungen in den Entwicklungsländern auf einen massiven Frauenmangel schließen lassen. Nach einer häufig zitierten Statistik ‘fehlen 100 Mio.’, die Mehrzahl davon in China und Indien. In Asien haben viele Familien eine krankhafte Vorliebe für Söhne. In manchen Ländern kann eine schwangere Frau in eine Klinik gehen, eine Fruchtwasser- oder Ultraschalluntersuchung vornehmen lassen, und wenn sie erfährt, daß sie mit einem Mädchen schwanger ist, kann sie gleich nebenan in die Abtreibungsklinik gehen. … ist Säuglingsmord an Mädchen aber in China und Indien schon seit über 2000 Jahren dokumentiert. … und ein chinesischer Arzt erklärte: ‘Wenn ein Junge krank wird, schicken die Eltern ihn sofort ins Krankenhaus, aber wenn ein Mädchen erkrankt, sagen die Eltern Den Mord an weiblichen Säuglingen gibt es nicht nur in Asien. Zu den vielen Völkern von Jägern und Sammlern, die neugeborene Töchter häufiger töten als Söhne, gehören die Yanomamo. Im alten Griechenland und Rom wurden Babys in Flüssen, Misthaufen oder Jauchegruben beseitigt, zum Verhungern in Krüge gesteckt oder in der Wildnis den Elementen und den Tieren ausgesetzt.” Auch im Europa des Mittelalters und der Renaissance kam Säuglingsmord häufig vor. Und in allen diesen Regionen starben mehr Mädchen als Jungen. Oftmals töteten Familien jede neugeborene Tochter, bis sie einen Sohn bekamen … In Indien stimmt es, daß die höheren Kasten eher ihre Töchter töten.”
Steven Pinker, Gewalt, S. 620f.