Sonntag, 27. Januar 2013

Margarita und die Meister









Wieviel Optimismus darf's denn sein?   

Dies ist offenbar nicht Ulrich Beck, der überall nach Risiken schnüffelt   

(Bild: Boulgacov/Wiki.)



Nun hatten doch Adorno und Horkheimer in ihrer "Dialektik der Aufklärung" geklärt, "daß alles Lebendige unter einem Bann" stehe. 
Und Reinhard Lettau hatte 1970 in seinem "Täglichen Faschismus" nachgelegt: 
"Müßige, vor Langeweile fast ohnmächtige, grell hauteng gekleidete Greisinnen und Greise, die sich 'senior citizens' nennen, und wellenreitende, braungebrannte Hünen, riesenhafte Blondinen, stumpfsinnige, brutale Musik: das sind die Wahrzeichen Kaliforniens."  

Also klaro alles, kein Fortschritt nirgends, schon gar nicht in Amerika. Bann und Fluch und Beach-Boys-Musik. Igitt. Wenigstens zahlten die Amis gut, so daß Lettau nicht nur nach Kalifornien ging, sondern auch den US-Paß erwarb. Nach all diesen subtilen professoralen Klärungen war es ziemlich unangemessen, daß eine junge, gute Bekannte Willy Brandts 1988 in Bonn mit dem Thema "Amerika. Das Experiment des Fortschritts" promoviert wurde. Plagiatsvorwürfe wurden schon 1989 von Andreas Franke erhoben, was 1991 nach einer Untersuchung zu einer Rüge wegen unkorrekter Zitierweise der Margarita Mathiopoulos führte, die Arbeit aber wurde gleichwohl gelobt. Dies tat auch zuvor schon Michael Stürmer, dessen lesenswerte SFB-Rezension von 1988 im Netz steht.  

Mathiopoulos fand nicht alles so faschistisch wie Lettau. Die geglückte amerikanische Revolution, die ohne die Blutsäufereien der französischen ausgekommen war, sah sie als ein Unterpfand des amerikanischen Optimismus.  
Die Arbeit wurde auch gleich in Deutschland gedruckt und ein Jahr später ins Amerikanische übertragen, versehen mit einem Vorwort Gordon A. Craigs. Die Autorin wurde zwar nicht Presse-Sprecherin der SPD, wie von Brandt vorgeschlagen, aber doch u.a. Honorar-Professorin in Braunschweig und Potsdam. 
Im April 2012 aber wurde ihr der Titel aberkannt, und dieser Tage bestätigt vom Verwaltungsgericht.
  
Was diesen Fall von den anderen bisherigen Plagiatsfällen Koch-MehrinChatzimakisGuttenberg und Schavan unterscheidet, das ist die langjährige Hochschularbeit der Mathiopoulos, die man doch wohl als anhaltendes Interesse an wissenschaftlicher Arbeit werten darf. Ihre Beauftragung durch mehr als vier verschiedene Hochschulen seit 1989 dürfte die Zitiermängel geheilt haben.