Dienstag, 18. September 2012

Mein ist die Gegenwart










Betrachtung der Zeit

Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen;
Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,
So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.


Mein ist der Augenblick, sagt hier Gryphius, protestantischer Lehrersohn aus dem protestantischen Glogau, das dann aber zwangskatholisiert wurde. Hier und jetzt kann ich etwas unternehmen.

Bei Benjamin Franklin heißt es rund ein Jahrhundert später in seinen 13 Tugenden:

“6. FLEISS. Verliere keine Zeit; sei immer mit etwas Nützlichem beschäftigt; entsage aller unnützen Tätigkeit.”

(Franklin, Autobiographie, S. 126; vgl. auch “Poor Richard’s Almanack”)

Franklin, Sohn puritanischer Eltern, der eigentlich Pastor  werden sollte, war denn auch als Drucker, Erfinder und Politiker recht erfolgreich. 
Vater Franklin hatte England verlassen und war nach Massachusetts ausgewandert.
In unseren Tagen zog es den deutschen Romanisten Hans Ulrich Gumbrecht nach Kalifornien. Von dort sah er sich seine neue Heimat USA an. Am besten gefiele es ihm in – Lousiana, stellte er fest. So exotisch, so zeitvergessen, so korrupt, so wunderbar. Nun ja. Dort, in New Orleans, entstand in den 1920er Jahren der Blues "When the levee breaks" (wenn der Damm bricht). Inzwischen brach der Damm in New Orleans. Vier Meter unter Meereshöhe siedeln und die Dämme vernachlässigen - that's the spirit of Lousiana. Plus Musik, nicht nur die Marsalis-Familie stammt aus New Orleans.
Ein bißchen exotisch, wenn auch nicht kreolischer Abkunft, das galt ja auch für den Namensgeber Lousianas, Ludwig XIV. Aber grundsätzliche Ordnung mußte doch sein, deswegen erließ Ludwig für die französischen Kolonien 1685 den CODE NOIR, der u.a. vorschrieb, daß die Sklaven römisch-katholisch zu sein hätten. Davon sind die erst spanischen, dann französischen und heute US-amerikanischen Südstaaten noch heute mehr oder weniger geprägt.
Das gefällt nicht nur dem Romanisten Gumbrecht, der nie einen Blitzableiter oder einen Kondensator erfunden hat. Sein Fach ist eben die katholisch-spanisch-französische Geschwätzigkeit gehobener Art. Jedem das Seine.

Aber seit die Quäker, Methodisten und andere protestantische Zeitquäler mit dem Abolitionismus, mit der Abschaffung der gemütlichen, katholischen Sklaverei begannen, hat sich doch in Texas, New Mexico, Lousiana, Mississippi und Alabama einiges geändert, auch wenn in New Mexico die Katholiken mit 75% immer noch stark vertreten sind.

Dahin würde der deutsche Schraubenkönig aus dem protestantischen Künzelsau, der neuapostolische Reinhold Würth, nicht unbedingt gehen. Ohne das geringste Abitur und ganz ohne Sklaverei hat der Mann den kleinen Schraubenhandel seines Vaters zur weltweit vertretenen Würth-Gruppe gemacht. Gerade hat er wieder einen echt protestantischen Brief an seine Außendienstler geschrieben. Nicht das spanisch-katholische „Mañana“ („morgen“) solle ihr Motto sein, sondern „früher zum Kunden“. 
Da hätte Gryphius nicht widersprochen. Mein ist die Gegenwart. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern. Wenn ich die Gegenwart nutze, so gefalle ich dem Herrn der Zeiten. (Wer immer das auch sein mag.)