Betrachtung
der Zeit
Mein sind
die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen;
Mein sind
die Jahre nicht, die etwa möchten kommen;
Der
Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,
So ist der
mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.
Mein ist
der Augenblick, sagt hier Gryphius, protestantischer Lehrersohn aus dem
protestantischen Glogau, das dann aber zwangskatholisiert wurde. Hier und jetzt
kann ich etwas unternehmen.
Bei
Benjamin Franklin heißt es rund ein Jahrhundert später in seinen 13 Tugenden:
“6. FLEISS.
Verliere keine Zeit; sei immer mit etwas Nützlichem beschäftigt; entsage aller
unnützen Tätigkeit.”
(Franklin,
Autobiographie, S. 126; vgl. auch “Poor Richard’s Almanack”)
Franklin,
Sohn puritanischer Eltern, der eigentlich Pastor werden sollte, war denn auch als Drucker, Erfinder und
Politiker recht erfolgreich.
Vater
Franklin hatte England verlassen und war nach Massachusetts ausgewandert.
In unseren
Tagen zog es den deutschen Romanisten Hans Ulrich Gumbrecht nach Kalifornien.
Von dort sah er sich seine neue Heimat USA an. Am besten gefiele es ihm in –
Lousiana, stellte er fest. So exotisch, so zeitvergessen, so korrupt, so wunderbar. Nun ja. Dort, in New Orleans, entstand in den 1920er Jahren der Blues "When the levee breaks" (wenn der Damm bricht). Inzwischen brach der Damm in New Orleans. Vier Meter unter Meereshöhe siedeln und die Dämme vernachlässigen - that's the spirit of Lousiana. Plus Musik, nicht nur die Marsalis-Familie stammt aus New Orleans.
Ein bißchen exotisch, wenn auch nicht kreolischer Abkunft, das galt ja auch für den Namensgeber Lousianas, Ludwig XIV. Aber grundsätzliche Ordnung
mußte doch sein, deswegen erließ Ludwig für die französischen Kolonien 1685 den
CODE NOIR, der u.a. vorschrieb, daß die Sklaven römisch-katholisch zu sein
hätten. Davon sind die erst spanischen, dann französischen und heute
US-amerikanischen Südstaaten noch heute mehr oder weniger geprägt.
Das gefällt
nicht nur dem Romanisten Gumbrecht, der nie einen Blitzableiter oder einen Kondensator
erfunden hat. Sein Fach ist eben die katholisch-spanisch-französische Geschwätzigkeit gehobener
Art. Jedem das Seine.
Aber seit
die Quäker, Methodisten und andere protestantische Zeitquäler mit dem
Abolitionismus, mit der Abschaffung der gemütlichen, katholischen Sklaverei
begannen, hat sich doch in Texas, New Mexico, Lousiana, Mississippi und Alabama
einiges geändert, auch wenn in New Mexico die Katholiken mit 75% immer noch
stark vertreten sind.
Dahin würde
der deutsche Schraubenkönig aus dem protestantischen Künzelsau, der
neuapostolische Reinhold Würth, nicht unbedingt gehen. Ohne das geringste
Abitur und ganz ohne Sklaverei hat der Mann den kleinen Schraubenhandel seines
Vaters zur weltweit vertretenen Würth-Gruppe gemacht. Gerade hat er wieder
einen echt protestantischen Brief an seine Außendienstler geschrieben. Nicht das
spanisch-katholische „Mañana“
(„morgen“) solle ihr Motto sein, sondern „früher zum Kunden“.
Da hätte Gryphius
nicht widersprochen. Mein ist die Gegenwart. Die Vergangenheit kann ich nicht
ändern. Wenn ich die Gegenwart nutze, so gefalle ich dem Herrn der Zeiten. (Wer
immer das auch sein mag.)