Sonntag, 22. April 2012

Lisztig



Man glaubt es kaum, aber diese Buchenkeimlinge, 
noch mit dem Keimblatt, werden weder staatlich gefördert noch geistlich betreut - trotzdem (?) sind sie wieder sehr zahlreich.










Alle Machthaber versuchen die Opposition auszuschalten, das ist in Demokratien nicht anders als in gelenkten Demokratien und in Diktaturen. Aber es gibt eine große Breite von Maßnahmen selbst in Diktaturen. 

Die willkürliche und vielfache Erfindung von Oppositionellen, die tatsächlich Anhänger der Diktatur sind, bleibt ein rätselhaftes Alleinstellungsmerkmal der Stalin-Diktatur. Wir besitzen viele Berichte wie Susanne Leonhards “Gestohlenes Leben. Schicksal einer politischen Emigrantin in der Sowjetunion.” und “Fahrt ins Verhängnis. Als Sozialistin in Stalins Gulag. 1983”,  die Zeugnis ablegen von den grauenhaften Verrücktheiten der Stalin’schen Methoden, die nicht nur von breiten Teilen der Bevölkerung, sondern auch vielen westlichen Intellektuellen mitgetragen wurden (Brecht, Gide, Becher etc.). 


Astrid Volpert hat jetzt einige Namen aus den Reihen der BAUHAUS-Emigranten hinzugefügt (Die Frauen des Bauhauses in Moskau, FAZ 21.4.12). Besonders erschütternd der Fall der Margarete Mengel, die 1931 nach Moskau kommt und 1938 frühmorgens verhaftet wird. “Nach Verhören und Folter in der berüchtigten Lubjanka wird sie am 20.8.1938 (...) erschossen. Der elfjährige Sohn bleibt allein in Moskau zurück.”  

Die Künstler und Intellektuellen, die vom Teufel zum Satan flüchteten, verbanden ihre Kunstideologie mit utopischen politischen Vorstellungen. Die Denkfigur wird von einer fixen Idee gespeist, die bei Saint-Simon und Liszt deutlich greifbar wird: Kunst verbessert die Welt, der Künstler steht im Dienste der Weltverbesserung. Wenn dann politische Erlöser-Scharlatane auftauchen, auch wenn sie Putschisten und Gewaltverbrecher sind, so fühlt sich einer wie Brecht aus wohlhabendem, bürgerlichen Hause sofort angesprochen. Auch ein Maurizo Pollini war Mitglied der KPI.   

Nüchterne Rationalität war und ist eine bedrohte Denkart, die Irrationalität ubiquitär. Wenn Organisationen für Irrationales einen halbwegs rationalen Umgang damit gewährleisten können, ist schon viel erreicht. Hier liegt die zivilisierende Bedeutung der christlichen Kirchen, die ihre Mitglieder vor dem Abgleiten in den puren Wahn von Voodoo und Geistheilerei bewahren können.