Montag, 20. Juni 2011
Strukturwandel der Öffentlichkeit
Darstellung von chirurgischen Instrumenten an der Rückwand des Tempels zu Kom Ombo (304-31 v. Seneca)
(Bild Rowan / Wiki.)
- In Platons Demokratie-Kritik in seinem Buch "Der Staat" (POLITEIA) kam das Problem noch nicht vor. Zu klein war der Stadtstaat Athen. Zwar waren 6000 Stimmbürger in der Volksversammlung, wenn denn einmal alle kamen, schon ein organisatorisches Problem, aber doch kein grundsätzliches Problem der Öffentlichkeit. Man wußte, was in der Polis geschah, man kannte die Akteure, vor allem die führenden Figuren. Bei einem im Vergleich riesenhaften Flächenstaat wie Deutschland besteht ein Öffentlichkeits- und Informationsproblem. Ein Heer von Journalisten sammelt und sortiert Informationen und liefert sie über die Massenmedien an die empfangsbereiten Bürger. Die wenigen Nachrichten, die in den Informationssendungen ankommen, stellen nur einen winzigen Bruchteil der gesammelten Nachrichten dar und wurden vielfach gefiltert. Darin liegt die Macht der Journalisten. Sie setzen nicht nur die Themen, sie gestalten auch die Darstellungsweise und erzeugen ein Bild des Landes in dem Empfängerköpfen, das nur teilweise der Korrektur zugänglich ist. Denn die 999 Informationen von den tausend, die nicht zum Zuge kamen, kennt der Bürger nicht.
Dieses Problem wächst ins Gigantische bei Gebilden wie der EU. Der Informationsstand der EU-Bürger bei europäischen Angelegenheiten ist recht gering, die Kenntnis der Politik in den Nachbarländern minimal. Es gibt zwar Eropa-Magazine wie "Europa heute" (DLF), aber sie werden, schon aus Zeitgründen, wenig gehört. Daher gibt es nur eine defekte europäische Öffentlichkeit, ein wichtiger Grund, beim Konzept der lose verbundenen Nationalstaaten zu bleiben beziehungsweise, die Brüssel-Zentrierung zu reduzieren.
Eine stärkere Berücksichtigung europäischer Nachrichten ist allerdings in jeder Hinsicht fruchtbar, nicht nur für den "europäischen Geist". Nicht nur sollte man grundsätzlich die Nachbarn kennen, sie bilden auch immer eine Folie für das weitergehnde Verständnis der eigenen inneren Bedingungen und Gestaltungen.
Derzeit sucht das BKA einen Säuglingsvergewaltiger, wie einer Zeitungsnotiz zu entnehmen war. Da könnte einem das Beispiel des Umgang der Tschechen mit Sexualstraftätern einfallen. Sie stellen den Täter vor die Wahl zwischen Gefängnis und chirurgischer Kastration. Die Erfolge seien gut, sagte eine tschechische Psychiaterin in einem Europa-Magazin. (Siehe DLF 16.6.11 "Europa heute" dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1482932/)
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