Samstag, 2. Februar 2008

Eysenck, Kriminalität und Persönlichkeit

mo 1°, mi 3°, eine dünne Decke Naßschnee, läßt den Tag glänzen.
USA: Arbeitslosigkeit sinkt auf 4,9% (D : 8,5%), Auftragseingang langlebige Güter steigt ; 12743 // Nikkei 13497; 6968; Hz.öl 71,05

- Den milieutheoretischen Kitschfilm „Wut“ von Aladag auf arte am 1.2. kommentiert man am besten mit der Realität (die Filmchenmacher aber grundsätzlich und stets konsequent ablehnen): „ Nicht die leiseste Spur von Reue nach 50 Strafanzeigen . Die Liste seiner Vergehen ist lang, seine Kriminellenkarriere klassisch, seine Haltung trotzig. Samir (15) hat mit Diebstählen begonnen, jetzt greift er Menschen tätlich an. ...“ FAZ 30.1.08
Und dazu empirisch psychologisch:

Hans Jürgen Eysenck , Kriminalität und Persönlichkeit, Dt. 1977 / engl. 1964, Auszug aus dem Vorwort von 1976

„ (...) Viele dieser empirischen Arbeiten haben geholfen, meine ursprüngliche Theorie zu unterstützen und zu stärken, aber auch in wichtigen Punkten zu modifizieren. Erstens gibt es heute viel mehr überzeugende Beweise zur Unterstützung der Ansicht, dass wichtige genetische Faktoren, in Interaktion mit Umwelteinflüssen, für das kriminelle Verhalten verantwortlich sind. Die Evidenz aus Konkordanzstudien über eineiige und zweieiige Zwillinge ist heute viel umfassender und viel besser überprüft als früher, eineiige Zwillingskinder von Kriminellen sind selbst viermal so häufig kriminell als zweieiige Zwillingskinder von Kriminellen. Studien über Adoption haben der wachsenden Evidenz zugunsten der biologischen Kausalität zusätzliches Gewicht gegeben, sie zeigten, dass adoptierte Kinder in ihrer Kriminalität durch das determiniert sind, was ihre echten, biologischen Eltern aufweisen, nicht durch das, was ihre Adoptiveltern aufweisen.

Zweitens ist heute viel mehr Evidenz für eine Korrelation zwischen Persönlichkeit und Kriminalität vorhanden als im Jahre 1964 und diese Evidenz erstreckt sich über Erwachsenenkriminalität hinaus auch auf kriminelles und antisoziales Verhalten bei Kindern und Jugendlichen und auf die Beobachtung ihrer weiteren Entwicklung (follow-up studies), und sie beweist, dass zukünftige Kriminalität mit merklichem Erfolg aus der Persönlichkeitsbeurteilung ganz kleiner Kinder vorhersehbar ist.

Drittens haben sich die Persönlichkeitseigenschaften selbst, die mit der Kriminalität verbunden sind, als durch genetische Faktoren stark determiniert erwiesen: die Methoden der Einordnung empirischer Daten von Zwillingen, adoptierten Kindern, Verwandt-schafts-beziehungen und anderen Ursprungs in ein genetisch -umweltbedingtes Modell haben in den letzten zwölf Jahren ungeheure Fortschritte gemacht und diese neuen Methoden haben uns zu vielen neuen Einsichten in die Art und Weise der Persönlichkeitsvererbung verholfen.

Viertens wurde sehr viel Arbeit auf dem Gebiet der biologischen Ursachen von Persönlichkeitsunterschieden geleistet und in diesem Zusammenhang, von psychopathischem und kriminellem Verhalten. Niedrige kortikale Erregung besonders wurde in einer ganzen Reihe von Untersuchungen bestimmt und als mit Psychopathie assoziiert befunden, weitgehend im Sinne meiner ursprünglichen Theorie. Ferner wurde sehr viel auf dem Gebiet der geringen Konditionierbarkeit von Leuten, die sich durch niedrige kortikale (1) Erregung auszeichnen, gearbeitet, und auch hier erhielten die wichtigsten Feststellungen meiner Theorie Unterstützung – wenn auch hier, wie in anderen Punkten, solche Zustimmung nicht einmütig ist und wohl gewisser Modifikation bedarf. Wir wollen nun an eine detaillierte Ausarbeitung einer einigermaßen allgemeinen Theorie herangehen, und im Zuge dieser Arbeit werden zweifellos viele Adaptionen und Änderungen erforderlich sein.

Fünftens gibt es heute eine Menge Evidenz (2), die jene Kategorie von soziologischen Theorien diskreditiert, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten führend und weithin akzeptiert waren.
Es erwies sich, dass Armut, unzureichende Wohnverhältnisse und soziale Ungleichheit relativ geringen Einfluss auf die individuellen Unterschiede hatten, die bei antisozialer Haltung und kriminellem Verhalten zu beobachten waren; selbst jener universale Katalysator sozialen Unheils in den marxistischen Lehrbüchern, das kapitalistische System, wurde von der Schuld losgesprochen – einige Unterlagen werden in dieser Auflage erörtert. In dieser Richtung haben meine ursprünglichen Theorien, auf so schwachen Füßen sie auch in der Periode standen, in der ich den Entwurf zur ersten Ausgabe schrieb, sich als viel mehr der Realität entsprechend erwiesen, als ich vielleicht zu erwarten berechtigt war. Immer noch fehlt es am Nachweis ihrer Richtigkeit; tatsächlich lässt sich die Richtigkeit von Theorien in der Wissenschaft niemals beweisen, was Wissenschaftstheoretiker wie Popper und Lakatos nie müde werden hervorzuheben. Theorien können nur als nützlich für die Herbeiführung überprüfbarer Deduktionen (3) betrachtet werden, bei denen aus der Verbindung von Fakten wissenschaftliche abgleitet werden und weitere Forschung angeregt wird. In diesem Rahmen und an diesen Kriterien überprüft, versprechen die hier behandelten Theorien einiges; nur die Zukunft und mehr Detailarbeit werden zeigen, ab dieses Versprechen eingelöst wird.

Es gibt, sechstens noch eine hervorzuhebende Entwicklung, nämlich die praktische Anwendung der hier besprochenen Theorien zum Zweck der Prophylaxe und Rehabilitation. Meine ursprüngliche Annahme, dass sowohl Neurose als auch Kriminalität als konditionierende Prinzipien verstanden werden können – wobei Neurotiker Angst- und Furchtreaktionen auf früher neutrale Situationen zu rasch und zu stark konditionieren, während Kriminelle nicht hinreichend die sozial adäquaten Reaktionen zu konditionieren vermögen ...“
H.J. Eysenck, Kriminalität und Persönlichkeit, S. 12f., Wien 1976 (Europa-Vlg.)

(1) die Gehirnrinde betreffend
(2) einleuchtende Erkenntnis, Gewissheit
(3) Ableitung einer Aussage aus einer anderen Aussage

Anm.: Eysenck war ein britischer Persönlichkeits-Psychologe deutscher Herkunft. Er verließ 1934 das nationalsozialistische Deutschland und ging zuerst nach Frankreich und dann nach Großbritannien ins Exil. 1955 wurde er Professor für Psychologie an der University of London und lehrte bis 1983. (* 4. März 1916 in Berlin; † 4. September 1997 in London)

Und: „ Hartnäckige Gefühlskälte
Viele schwierige Kinder bleiben schwierig / Biologische Gründe?
Schwierige Kinder werden nicht selten zu schwierigen Erwachsenen. Schon im Vorschulalter zeigen manche Jungen ein aggressives, uneinfühlsames ...“ 17.3.99 FAZ