Donnerstag, 18. März 2010

Die Kontroversen um die Evolutionslehre im heutigen Christentum



Weiß sind nur noch die Steine, der Frühling hat bei 1-16°C einen großen Schritt nach vorn gemacht



- "Die Kontroversen um die Evolutionslehre im heutigen Christentum." Prof. Dr. Michael Beintker, Münster. Aus dem Inhalt des Vortrages:
In der christlichen Theologie der Gegenwart gilt die Evolutionslehre als die plausibelste wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung des Lebens und der Arten. Die theologische Interpretation der Welt als Schöpfung Gottes kann sich ohne Vorbehalte auf naturwissenschaftliche und naturphilosophische Theorien einlassen. In den an Kant und Schleiermacher orientierten Denktraditionen hat es einen wirklichen Konflikt mit Darwins Auffassungen nie gegeben. Dagegen formierte sich im angelsächsischen Bereich, besonders in den USA, von Anfang an eine offensiv agierende, einflussreiche Opposition gegen die Evolutionslehre, die als „Kreationismus“ auf der wörtlichen Auslegung der biblischen Schöpfungsaussagen beharrt und inzwischen auch in Europa eine deutlich wachsende Anhängerschaft findet, selbst unter christlich orientierten Naturwissenschaftlern. Der „Kreationismus“, der in mehreren Typen und Spielarten auftritt, macht sich die Lücken und bis heute ungeklärten Fragen der Evolutionslehre zunutze und bedient sich moderner wissenschaftlicher Einsichten, die er selektiv rezipiert, um die evolutionstheoretischen Annahmen als haltlos zu erweisen. Die zielgerichtete Weiterentwicklung zum Neo-Kreationismus führte zur Theorie des Intelligent Design und dem damit verfochtenen Anspruch, Kosmo- und Biogenese besser verstehen zu können als die Naturwissenschaften. Dieses Programm lässt sich freilich nicht einlösen. Der entscheidende Denkfehler besteht darin, dass die Unterschiede zwischen naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Theorieplateaus unkontrolliert eingeebnet werden. Der christliche Gottesgedanke ist eine sinnvolle Glaubensannahme, aber keine Arbeitshypothese im Horizont naturwissenschaftlicher Erkenntnisprozesse. Das wird auch vom weltanschaulich überspitzten „Ultra-Darwinismus“ übersehen, der den Atheismus auf die Evolutionstheorie zu stützen versucht. "

Bei Beintker gibt es auch immer etwas Neues zu Calvin. Neulich erwähnte er einen bisher nicht bekannten Trostbrief an die Mutter eines Selbsttöters, der bis weit in das 19. Jht. ein zu bestrafender Selbstmörder war (der Ausdruck wird heute noch verwendet), wobei die Strafe naturgemäß die Angehörigen betraf. In diesem Brief stellt Calvin Gott das Urteil über den Betreffenden anheim und tröstet so die Mutter. Im Falle des wörtlichen Verständnisses der Bibel fielen Calvin Ungereimtheiten im 1. Buch Mose auf. Er erklärte sie so, daß Mose für alle verständlich habe schreiben wollen, auch für Einfältige, und er daher der groben Anschaulichkeit den Vorrang vor der Genauigkeit gegeben habe. Diesem Ansatz folgte zwar Luther nicht, aber spätere protestantische Theologen wie Baumgarten und Schleiermacher bis zu Karl Barth in der Gegenwart. Bei der Bibel handele es sich um divinatorisch-poetische Texte, nicht um Vorlagen für die naturwissenschaftliche Forschung. Dem bequemte sich die Katholische Kirche erst spät an, Teilhard de Chardin blieb zeitlebens eine angefeindete Ausnahme. Interessant erscheint, daß die heutigen Kreationisten, in Deutschland namentlich Reinhart Junker und der Zellbiologe Siegfried Scherer, den Schulterschluß zu einschlägigen Naturwissenschaftlern suchen, die Lücken in der Evolutionstheorie ausnutzen. Sie gebärden sich dabei ähnlich eifrig wie von der anderen Seite her die "Ultra-Darwinisten", die alles Göttliche in der Evolutionstheorie aufgehen lassen wollen.-
Auch hier könnte man anmerken, daß sich rinks und lechts eben immer ähneln, die Brachialmaterialisten in der Nachfolge Haeckels geben sich ähnlich glaubenseifrig wie ihre kreationistischen Gegner. Beide Seiten maßen sich Wissen an, das sie nicht besitzen. Beide Seiten betreiben ihre Forschungen zu forciert und ohne den für gute Wissenschaft fundamentalen weltanschaulichen Abstand. Der inzwischen verstorbene Stanford-Evolutionsbiologe Robert Wesson berücksichtigt daher in seinem Buch von 1993 "Die unberechenbare Ordnung. Chaos, Zufall und Auslese in der Natur" vor allem die Biologen bei konkreten Forschungen, die keine speziellen theoretischen Absichten verfolgen. Er plädiert für eine Neueinrichtung der neodarwinistischen Evolutionstheorie, bei der er zu viele Lücken sieht, wo der Vulgärevolutionist Wuketits keine Probleme wahrnimmt.
Wie wichtig eine rationale Theologie ist, für die Theologen, die Gläubigen und die Wissenschaft gleichermaßen, ermißt sich am Islam, der keine rationale Theologie kennt, geschweige denn die Unterscheidung zwischen Religionserzählungen und Naturwissenschaft zu treffen weiß. Seit tausend Jahren steht der Islamische Raum geistig still, weil sich die Korankommentare im Kreise drehen und der Koran als wörtliche Offenbarung gilt. Der islamische Gott kennt keine Evolution. Jüngst erschien eine 13bändige Widerlegung der Evolutionstheorie durch einen ägyptischen Pharmazeuten. Da mutet die Annahme eines "Intelligent Design" auf christlich-evangelikaler Seite fast naturwissenschaftlich an.

- " Ich empfehle den Abschied von Gott
Nicholas Wade schlägt den Gläubigen von Christentum, Judentum und Islam einen evolutionsfesten Glauben vor
Ameisen brauchen keine Religion. Denn der soziale Zusammenhalt im Ameisenstaat wird durch enge Verwandtschaft und chemische Signale gewährleistet. ..." 17.3.10 Nic. Wade, THE FAITH INSTINCT, 2009, Rez. FAZ
/// Es geht bei Religion weniger um einen sozialen Zusammenhalt, als um die Verehrung großer Individuen, Euhemeros (340-260 vor) wies schon darauf hin im antiken Griechenland. Daraus entwickelt sich unter Zuhilfenahme von großem Vorstellungsvermögen und dem Bedürfnis nach einfacher Kausalität ein Religionsprogramm. Daher kann man es bei Goethes Wort belassen: "Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat auch Religion, wer diese beiden nicht besitzt, der habe Religion." Falls er sie noch nicht haben sollte. Aber dann am besten eine rational-protestantische.