Adorno und Horkheimer rechneten 1946 in „Dialektik der Aufklärung“ auf ihre Weise mit der Aufklärung ab. Sie stand für Wissen und Wissenserwerb. Und für die Hypothese, das Wissen die Welt verbessere. Das habe sich, so Horkheimer und Adorno, als falsch herausgestellt. Es war der Zündfunke für die „Kompetenz“. Die Didaktiker Heinrich Roth und Wolfgang Klafki nahmen den Impuls auf und dachten das weiter in die Schule hinein. Allgemeine Lernziele der gymnasialen Oberstufe sollten 1972 nach Vorgabe des Kultusministeriums sein:
- dem Schüler eine wissenschaftspropädeutische Ausbildung zu vermitteln
- dem Schüler Hilfen zur Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung zu geben.
(Schule in NRW, Richtlinien Gymnasiale Oberstufe)
Seitdem wird der zweite Punkt immer stärker betont gegenüber dem ersten, und er ist jetzt auch in den Universitäten angekommen. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Wenn man nach Amerika blickt, dann ist zu erwarten, daß der Wissenserwerb weiter an Bedeutung verliert und demnächst in den Labors von Harvard und Stanford nur noch Chinesen, Japaner und Koreaner anzutreffen sein werden, bei denen die Kompetenz noch nicht richtig angekommen ist.
Damit soll nicht der Paukschule das Wort geredet werden. Das rein repetitive Lernen ist zu wenig, weil es zu eng fachborniert ist. Es bedarf der Erweiterung in Anwendungssituationen. Aber keinesfalls so weit, daß es den Wissenserwerb einschränkt. Wie dies hinterrücks der Fall ist.
"Landarztkompetent – wie wird man das?
Gewusst, wie, aber nicht, warum: Kompetenzorientierung wird jetzt auch Medizinstudenten verschrieben. Ist es das richtige Rezept? Oder das Ende des Fachs und der Medizin?
Von Josef Pfeilschifter F.A.Z. - Forschung und Lehre
MITTWOCH, 24.05.2017
Ihr werdet sein wie Gott“, sagte die Schlange, „und werdet wissen, was gut und böse ist.“ Und Adam und Eva bissen in den Apfel und wurden wissend und gottähnlich. Und Gott warf sie aus dem Paradies. Der Sünde halber, aber auch, weil er fürchtet, dass der Mensch auf die Idee kommen könnte, vom nächsten verbotenen Baum im Paradies zu naschen: von dem des Lebens. Nicht unserer Kompetenz des Apfelpflückens und -essens halber wirft er uns hinaus, nein, des Wissens wegen wurden wir vertrieben. Kompetent, aber unwissend – das war der paradiesische Zustand. Kompetent, aber wissend – das ist der seitherige Zustand. Den paradiesischen Zustand – kompetent, aber unwissend – wiederherzustellen ist seit einiger Zeit das Ziel der Universitätspolitik in Deutschland und im Masterplan 2020 nun auch für die Medizin.
„Kompetenz“, so schreibt der Duden, „ist ein feminines Substantiv, und bedeutet erstens: Sachverstand, Fähigkeit; und zweitens, besonders in der Rechtssprache: Zuständigkeit.“ Das klingt nun fast so gut wie das Versprechen der Schlange, hätten nicht die Pädagogen den Apfel der „Kompetenzorientierung“, in den die Universitäten nun beißen sollen, gründlich vergiftet. „Kompetenzen“, so liest man da in der gängigen pädagogischen Definition von Franz Emanuel Weinert, „sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten.“ Das ist schon beeindruckend, denn offenbar ist man schon dann kompetent, wenn man es noch nicht ist, es aber werden könnte. ..."