Klimamodelle
Das große Frösteln . Atempause im Klimawandel: Wie die Propheten irren. FAZ 7.5.08
Über die Verlässlichkeit von Klimamodellen ist im Jahr 2007, dem historischen Jahr der Klimaforschung, in der sie ihren Durchbruch auf der politischen Bühne reklamiert, nie ernsthaft diskutiert worden. Jedenfalls nicht öffentlich. Was allerdings auch kaum wundert. Denn Computermodelle sind längst nicht nur zum festen Bestandteil, sondern zum Rückgrat der Klimatologie geworden. Dieses Rückgrat gilt es zu schützen.
Dabei zeigt gerade der "Lernprozess" der Klimarechner, dass an kritischen Fragen noch immer Bedarf besteht. Besonders eindringlich lässt sich das an einer neuen Veröffentlichung deutscher Forscher studieren, die in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 453, S. 84) quasi im Handstreich alle bisherigen Klimaprognosen zumindest für die nähere Zukunft auf den Kopf gestellt haben. Die Erwärmung, heißt es da, lege in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren eine "Atempause" ein. Global würden die Lufttemperaturen vorerst nicht weiter steigen, wie es allen voran der Weltklimarat IPCC vor Jahresfrist zum wiederholten Mal betont hat. Vielmehr würden eine vorübergehende natürliche Verlangsamung der Meeresströmung im Atlantik und Entwicklungen im Pazifik den Klimawandel abbremsen. Die Atlantikströme bringen warmes Wasser nach Norden und sind zentraler Bestandteil des "globalen Ozean-Förderbands", das Energie um den Globus transportiert.
Über dem Nordatlantik, in Westeuropa und in Nordamerika würden die Temperaturen "auf das Niveau zwischen 1994 und 2004 abkühlen", schreiben die Forscher. Soll man das nun glauben? Die Gruppe des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften um Noel Keenlyside und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg beanspruchen eine "verfeinerte Klimavorhersage". Verfeinert wohlgemerkt durch die Berücksichtigung realer Messwerte. Erstmals wurden die an der Oberfläche gemessenen und in langen Zyklen variierenden Meerestemperaturen in der Simulation berücksichtigt. Und ausgerechnet die Berücksichtigung dieser "natürlichen Klimaschwankungen", die sich der Erwärmung überlagern, soll nun sämtliche Treibhausmodelle aushebeln?
Wäre es so, könnte sich bewahrheiten, was Gerard Roe von der University of Washington voriges Jahr nach seinen Studien zur Unwägbarkeiten der Modelle in "Science" berichtete: "Kleine Unsicherheiten in den zugrundeliegenden physikalischen Prozessen werden vervielfacht zu großen Unsicherheiten in der Reaktion des Klimas, und es gibt nichts, was wir dagegen tun können". Christopher Knight zeigte seinerzeit mit mehr als 57 000 Modellrechnungen, dass die Prognosen mit der Zahl und Qualität der eingegeben Parameter extrem schwankt.
Was aber in die Klimamodelle einfließt, sind oft nur Näherungen und unvollständige Datensätze. In "Geophysical Research Letters" hat jetzt Andrew Monaghan von der Ohio State University das Versagen der Modelle bei der Simulation der Antarktis-Temperaturen demonstriert. Die Modelle weisen eine Erwärmung über dem Südpol um bis zu einem Grad seit 1880 aus. Die aus Eisanalysen rekonsruierten Daten ergeben höchstens 0,2 Grad.
Tatsache ist, dass auch bei den Kieler und Hamburger Forschern der größte Teil der Meereszirkulation unberücksichtigt bleibt. Messwerte der globalen Tiefenströme gibt es nicht und fehlen deshalb bei ihnen genauso, wie sie Doug Smith vom britischen Hadley Centre fehlten, der im vergangenen August in "Science" eine der ersten langfristigen Klimaprognosen für sich beanspruchte und nach einer "kurzen Verlangsamung der Erwärmung" schon in wenigen Jahren wieder Temperaturrekorde prognostizierte.
JOACHIM MÜLLER-JUNG