Samstag, 16. April 2016

Dignität des öffentlichen Raumes


Die Norm könnte lauten: Der öffentliche Raum - also Straßen und Plätze - unterliegt erweiterten baurechtlichen Vorgaben. Näheres regeln Bundes- und Landesgesetze. 

Es gibt keine widerspruchsfreien Normgebilde. Nicht in einer Diktatur, nicht in einer Demokratie. Letztere ist ja oft nur eine Parteiendemokratie, in der die Parteien sich die Staatsmaschine angeeignet haben. Sie machen das zu einem großen Teil mit Bilderwahlkämpfen ohne Text, kognitiv minderwertig, aber wirksam, weil der Sehsinn so dominant ist. Der vermehrte Einsatz von Bildern und die gewachsene Neigung zur Information über Bilder (Iconic Turn) bewirkt eine Primitivierung, denn die Schrift ist nicht genetisch kodiert, Bildsignale sehr wohl, speziell Bildsignale im Zusammenhang der Reproduktion. Deswegen ist der Einsatz von Sex-Bildern so beliebt und so wirksam. Die Basistriebe sind so mächtig, weil die Arterhaltung damit verbunden ist. Sie sind besonders primitiv und zivilisationsabgeneigt. Sie sind dem Neokortex relativ unzugänglich, weil die hirnlichen Transferbahnen nicht stark ausgeprägt sind. Der Rüde läuft besinnungslos hinter der läufigen Hündin her, so wie Heinrich Mann besinnungslos an großbusigen ordinären Weibern hing. Was beim Rüden über die Riechbahnen funktioniert, funktioniert bei Heinrich über den Sehsinn und die stammesgeschichtliche Kodierung. Werbebilder wie die der 5 Stringtanga-Hintern funktionieren genauso und suggerieren: alle Frauen sind dein. Oder wenigstens vier, wie im Koran empfohlen. Da die Hälfte der Männer, speziell der jungen Männer, unter dem starken Einfluß von Hormonen steht, haben solche Bilder verkehsgefährdende und zivilisationsbedrohende Wirkung. Naturgemäß sind besonders Frauen auch körperlich in Gefahr. Freiheit und Demokratie sind also stets von den vielen primitiven Männern in jeder Gesellschaft bedroht, die wiederum von primitiver Werbefotografie und überhaupt durch Bilderverblödung gefördert und angestachelt werden. 

Auf anderer Ebene reflektiert Thomas Mann - der im Unterschied zu seinem Bruder auch gutes Deutsch schrieb - diese Problematik in „Tod in Venedig“. Und auch im Streitgespräch zwischen Naphta und Settembrini im „Zauberberg“ steckt einiges davon. 

Die verschiedenen Antriebs- und Handlungsmodule des Menschen befinden sich im (Dauer-)Konflikt miteinander. Vielen entgleitet schon auf dem Weg zum Kühlschrank jede Kontrolle. Problem vielfach unlösbar.