Montag, 24. Oktober 2011

Gewalt am Rande





- Krieg, Fehde, Duell, Blutrache, Raub, Totschlag und Mord sind in der Geschichte seit Homers "Ilias" weltweit vielfach dokumentiert und herrschen bis in die Gegenwart in Ländern und Gebieten ohne Zentralmacht. Weniger belegt ist die Wertlosigkeit des individuellen Lebens in vorindividuellen, traditionellen Gesellschaften im kleinen Alltag am Rande:
"Die zweijährige Wang Yue war auf der Suche nach ihrem älteren Bruder, als sie an einem späten Nachmittag aus dem Geschäft ihrer Eltern auf eine Marktstrasse der südchinesischen Stadt Foshan rannte. Ein Minivan, dessen Fahrer offenbar gerade telefonierte, übersah das kleine Mädchen und fuhr es an. Daraufhin stoppte er kurz, stieg aber nicht aus, sondern überfuhr das Kind auch noch mit einem Hinterrad. Kurz darauf rollte ein kleiner Lastwagen über die Zweijährige. Etwa 18 Passanten liessen das schwerverletzte Mädchen liegen, bevor eine ältere Müllsammlerin sich um dieses zu kümmern begann. Am Freitag ist es im Spital gestorben. Die Meldung über den Unfallhergang und die Sequenz des Films aus einer an der Strasse angebrachten Überwachungskamera haben in den chinesischen Medien, vor allem im Internet, einen Sturm der Entrüstung und eine Diskussion über die Moral der Gesellschaft ausgelöst. Zweierlei entsetzte die Kommentatoren besonders: zum einen der Fahrer des ersten Autos, der, obwohl ihm die Situation klar war, weiterfuhr und – wie es schien – bewusst die Tötung des Mädchens in Kauf nahm; zum andern die zahlreichen Passanten, die der Szene keine Beachtung schenkten und dem in seinem Blut liegenden Kind nicht zu Hilfe eilten." NZZ 22.10.11, Diskussion über unterlassene Hilfeleistung

Im Falle der Rache weidet man sich verbreitet an den blutigen Toten: Der libysche Revolutionsmob lynchte nicht nur den Diktator Gaddafi und dessen Sohn, sie stellen ihn in einem Supermarkt in Misrata halbentblößt zur Schau und lange Schlangen mit zahlreichen Kindern darin bilden sich davor. Auch den Kindern wird der blutige Totschlag als selbstverständlich vor Augen gestellt.
Die Schaulustigen bekommen Atemmasken ausgehändigt, offenbar geht von den Leichen bereits Verwesungsgeruch aus. (CNN-Aufnahmen)