Montag, 3. August 2015

Elias und die Affekte











Norbert Elias starb am 1.8.1990 in Amsterdam, geboren wurde er 1897 in Breslau.  

Die neomarxistisch-freudianischen Juden waren Mode: Horkheimer und Adorno. Sie intrigierten gegen alles, was nicht in ihre Schublade paßte. Elias zum Beispiel. Das ging lange gut, aber, anders als der von Adorno diskriminierte Golo Mann, war Elias ebenfalls jüdischer Herkunft. Und auf dieser Schiene kam er spät, sehr spät doch noch zur Geltung.
Elias’ Ausgangspunkt ist die „Struktur menschlicher Affekte und ihrer Kontrollen“, er beobachtet in der Geschichte Westeuropas, besonders Frankreichs, „daß der Standard und die Muster der Affektkontrollen in Gesellschaften auf verschiedenen Stufen der Entwicklung und selbst in verschiedenen Schichten der gleichen Gesellschaft verschieden sein können.“ (Elias, Zivilisation, 1969, Einleitung)
Er liefert damit einen Schlüssel zu der Frage, warum Frankreich - obwohl katholisch und die Protestanten seinerzeit verfolgend und austreibend - trotzdem heute zu den wirtschaftlich und zivilisatorisch arrivierten Staaten gehört. (Noch. Der Abwärtstrend ist seit Jahrzehnten unverkennbar.) Die Affektkontrolle erfolgt in Frankreich im recht strengen und wettbewerblich verfaßten Schulsystem von der ecole maternelle bis zu den ecoles nationales superieures, deren Absolventen die Eliten bilden. Dieses System trägt immer noch, doch sind wissenschaftliche Spitzenleistungen seit den Curies und Pasteurs rar geworden. Desgleichen fehlen heute auch die Renaults und Michelins, die Gründung von bedeutenden Unternehmen in Zukunftsfeldern findet nicht mehr statt.