Dienstag, 20. Dezember 2011

Trauerdisposition




Passionsfeiern in Kerbela
(Foto Muhammadhani / Wiki.)


Es war nicht anders bei Stalins Tod, Maos, Kim-il-Sungs. Jetzt gibt es die Inszenierung der Trauer um den brutalen Politverbrecher und nordkoreanischen Diktator Kim Jong-il. Warum werden die größten Verbrecher der Meschheit auch noch reichlich beweint? Es sind natürlich vor allem Frauen, denen die Tränen fließen, aber es sind auch Männer dabei in den Schautrauermärschen. Das Rezept ist alt, im Orient werden dafür auch heute noch professionelle Klageweiber eingesetzt. Sie setzen die Gefühlssignale, die die anderen in Trauer- und Klagestimmung versetzen, sie sind emotional hochgradig ansteckend. Auch bei säkularen okzidentalen Beerdigungen folgen die Beteiligten den in der Situation gesetzten emotionalen Impulsen. Es weinen vor allem die Enkelinnen, die den Toten oder die Verstorbene gar nicht mehr so recht kennengelernt haben.
Die Trauer braucht nicht unbedingt einen sinnlich erfahrenen Gegenstand, sie nährt sich in Gesellschaft auch selbst. Verstärkend tritt Musik dazu und eine organisierte Masseninszenierung. Je größer die Masse, desto weniger bedarf es eines konkreten Trauerobjekts. Die Trauermärsche der Schiiten viele hundert Jahre nach dem Tod des Imams Hussain ibn Ali sind ein anderer Beleg für die Trauerdisposition, die sich selbst nährt. Der Mensch ist kein Verstandeswesen.