Montag, 6. April 2015

Aber Halo!















Ein Buch, dem man viele Leser wünscht. Belehrt es doch darüber, wie unsicher das menschliche Erkenntnisvermögen ist, und wie viele systematische Verzerrungen auftreten. Auch bei sog. Experten. So gibt Kahneman ein Beispiel aus der eigenen Küche für den Halo-Effekt: bei der Benotung mehrerer studentischer Arbeiten eines Studenten hintereinander stellte er fest, daß er die folgenden Arbeiten im Lichte der zuerst benoteten Arbeit einschätzte. (S. 110)

Da in modernen Gesellschaften mit ihrem Diplomierungswesen  - früher reichte es, daß man adelig geboren war - Noten eine große Rolle spielen, kann die Bedeutung des Halo-Effekts schwerlich überschätzt werden und sollte allen Lehrenden schon in der Ausbildung bewußt gemacht werden. Da Schulen Massenabfertigungsbetriebe sind und die Lehrer nur über begrenzte Möglichkeiten verfügen, sind Beurteilungsverzerrungen durch Halo-Effekte grundsätzlich nicht zu verhindern, ein Grund mehr, die ganze Notenmethodik in Frage zu stellen. So weit geht Kahneman aber nicht. Sieht er nicht, daß eine Ziffer eine Objektivität und Einheitlichkeit suggeriert, wo es tatsächlich um eine gewichtete Zusammenziehung mehrerer, eventuell vieler Einzeldaten aus einem längeren Zeitraum geht?
So wird eine Lehrerin - es gibt ja fast nur noch Lehrerinnen in Grundschule und Unterstufe - dazu neigen, in einem Schulhalbjahr, in dem Nacherzählungen auf dem Lehrplan stehen, die Nacherzählungsleistung im Gesamtstoff stärker wichten, wohingegen ein sachlich orientierter Lehrer anders verfahren würde. Zudem handelt es sich bei Noten vor allem um ein Binnenmaß in einer Lerngruppe, wodurch die Noten in Bremen und in Bayern nicht mehr vergleichbar sind.
Ich glaube, es war Sarrazin, dessen Frau Lehrerin in Berlin ist, der launig sagte, daß bayrische Hauptschüler besser seien als Berliner Abiturienten.
Aber immerhin zeigt Kahneman das Problem auf, dazu noch sehr viele andere, die die Lektüre seines Buches wertvoll machen.