Evolution neuen Wissens
Selbstreferenzunterbrechung
“Wenn das nicht mehr überzeugt, kann man den Zirkel zulassen, indem man Negation einbezieht und ihn auf seine schärfste Form bringt: den Widerspruch. Dies heißt seit Kant und Hegel in einem neuen Sinne Dialektik. Hier geht es darum, das die Erkenntnis das Härteste, was ihr an Ablehnung zur Verfügung steht, den Widerspruch, herausfordert - und aufhebt. Man denkt ja: Schlimmeres als ihr genaues Gegenteil kann der Wahrheit nicht passieren; und wenn sie dann noch eine Lösung findet, zeigt eben das, daß die Erkenntnis sich selbst mit der Wirklichkeit, die keine Widersprüche kennt, versöhnt hat (oder, wie man auch meinen könnte: daß es gar kein Widerspruch war). …
Anders als im großen Roman der Philosophie, anders als in der Phänomenologie des Geistes, gibt es deshalb kein Ende, in dem die Erkenntnis mit ihrem Gegenstand, die Vernunft mit der Wirklichkeit eins wird. Auch wird die alte Differenz von Erkenntnis und Gegenstand, die alte ontologische Negativität der Erkenntnis als Operation außerhalb des zu Erkennenden, nicht vorgeführt, um zu zeigen, wie die Erkenntnis in der Geschichte dialektisch zu sich selbst kommt. Es gibt keine Einheit als Ende. Was sich als Erkenntnis beobachten läßt, ist und bleibt die Erzeugung einer Differenz im Ausgang von einer Differenz.”
Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 498 u. 547)