Samstag, 12. Dezember 2015

Im Juli des Jahres veranstaltete die Hanns-Seidel-Stiftung eine Tagung zum Thema “Akademikerschwemme versus Fachkräftemangel”. Am interessantesten war dort wohl Rainer Dollase: “In seinem Vortrag „Alle wollen ‚Abi‘ und ‚Uni‘ – Über tabuisierte Ursachen von Bildungshysterie und Bildungsdünkel“ betrachtete Prof. Dr. Rainer Dollase, Professor für Psychologie an der Universität Bielefeld, wie sich in den vergangenen Jahrzehnten die gesellschaftliche Einstellung zu unterschiedlichen Bildungsabschlüssen der beruflichen und der akademischen Bildung verändert hat. Er diagnostizierte als Kollateralschäden der zunehmenden Akademisierung die Ächtung wichtiger Berufsbilder durch gesellschaftliche Diskurse und Medienberichte. Um das Ungleichgewicht zwischen akademischer und beruflicher Bildung auszugleichen, müsse Dünkel, der sich am Schulabschluss festmache, vermieden werden, körperliche und handwerkliche Arbeit dürfe im Vergleich zur kognitiven Arbeit nicht weiter abgewertet werden.” (H.-S.-Stiftung) Sehr richtig, kann man da nur feststellen. Schon in der Schule wird auf das Etikett “Abitur” geschielt, wobei aber die Lernbereitschaft sinkt und die Anforderungen abgesenkt werden. “In Berlin ist man hier gerade mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs. Für den Übergang von der Grundstufe zum Gymnasium wurden die Anforderungen gesenkt. Beim mittleren Schulabschluß hat man der Prüfung nachgehende ‘Interviews' erfunden. Eine Fünf in einer Fachklausur kann jetzt hinterher durch ein Gespräch mit dem Lehrer weggequatscht werden. Gut, diese Möglichkeit der ‘Nachprüfungen’ ist schon deshalb wichtig, weil man sonst keine Leistungsexplosion vorzeigen könnte: 2012 haben in Neukölln nur 9% der Mädchen die Mathematikprüfung bestanden. 2013 waren es 35%. Forderungs- und Leistungsnivellierungen sind so, als ob man einen Hochspringer trainieren will, indem man die Latte immer tiefer legt.” Buschkowsky, "Die andere Gesellschaft", S. 282) Was Buschkowsky für seine Stadt Berlin feststellt, findet sich überall in der Bundesrepublik, speziell auch in NRW. Mit der Leistungsminderung wird niemandem geholfen. Der Gesellschaft nicht, weil Etikettenschwindel eine Täuschung bewirkt, und den einzelnen Schülern auch nicht, weil sie falsch orientiert werden. Dabei wird niemand glücklich, und es kommt zum Fachkräftemangel und zu studierunfähigen Studenten. Die Lehre mit der Berufsschule ist die bessere Alternative. Auch für die USA. Außerhalb des Privatschulsystems haben sie nämlich ein großes Problem mit schlechten Schülern. Die brauchen ein praktisches Angebot, kein College. Da in Deutschland die Rate funktionaler Analphabeten steigt, muß es sogar weitergehende Überlegungen geben. Buschkowsky stellt bei seinen Interviews in Neukölln fest: “Die Mehrheit der jungen Leute beherrscht die deutsche Sprache nicht. Sie werden vermutlich nie ein Buch lesen oder etwas verstehen können, das jenseits der Trivialsprache liegt. (A.a.O., S. 118) Derzeit strömen massenhaft absolute Analphabeten nach Deutschland, die das schon große Problem sehr verschärfen. Da wäre eine “Lehre light” mit reduzierter Berufsschule und abgesenkter Entlohnung sinnvoll. /// Go To College Music Video (with FIRST LADY MICHELLE OBAMA!)

Ada Lovelace - 1815 in London geboren






Ada Lovelace 1836, Gemälde von Margaret Sarah Carpenter (1793–1872) (Wikip.)


“Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück”, heißt es in dem Benn-Gedicht “Eure Etüden”. 
Die Dummheit bewahrt vor Grübelei und selbst initiierter Kriminalität, die Arbeit strukturiert den Tag und das Leben und gewährt das süße Glück der erledigten Arbeit:
“Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;
Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,
Und immer fort so heut wie morgen.
Da geht’s, mein Herr, nicht immer mutig zu;
Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.”
Faust I, V. 3145ff.
Das Problem ist aber, daß die Dummen wenig produktiv sind und keine Arbeit haben, wenn die Intelligenten keine Arbeitsplätze direkt - als Unternehmer - und indirekt - als Erfinder und Wissenschaftler - schaffen. Das gilt besonders für die Hochlohnländer und die Wissensgesellschaft. Den innovativen Hochintelligenten muß also das besondere Augenmerk in rohstoffarmen Industrieländern gelten. Unabhängig von sonstigen Eigenschaften, etwa der körperlichen Verpackung. Dabei stehen Talente in vorgefundenen Traditionen, wie hier im Fall der Ada Lovelace und Charles Babbage. Die wiederum bereits den rechenhaften Newton’schen Geist vorfanden, wie Alan Turing später Talente wie Emmy Noether vorfand. Solche Spitzenbegabungen sind eigentümliche Phänomene - nicht aus dem Nichts, weil vor allem genetisch bedingt - aber unplanbar und unherstellbar durch Schule und Universität. (Höchstens gelingt es Gelehrtenfamilien, einen intelligenten Genpool durch entsprechende Heiratspolitik über Generationen zu stabilisieren; trotzdem gibt es meist nur eine Spitzenbegabung, bei den Weizsäckers war es Carl Friedrich.)

Ob schlechter Charakter wie bei Newton, Mann oder Frau oder sexuelle Orientierung (Turing) - das sind Nebensächlichkeiten ohne Belang. Auf solche Talente, viele ließen sich noch hinzufügen, kann eine Gesellschaft nicht ohne Schaden verzichten. Die Unterentwicklung des Orients und Afrikas hat hier einen wichtigen Grund.