Samstag, 20. Juli 2013

Denkstinkstiefel A. - Warum ging’s nicht schneller bis zum freiheitlichen Pluralismus der Gegenwart? Welches Denken bedroht den? Es geht auch um den wissenschaftlichen Pluralismus.










“Es ist daher offensichtlich, daß zwar alle Gemeinschaften nach einem je besonderen Gut streben, in stärkstem Maße aber und nach dem höchsten aller Güter die Gemeinschaft, die die höchste von allen ist und alle übrigen in sich einschließt - dies aber ist die als Staat bezeichnete Gemeinschaft, die staatliche Gemeinschaft.” Aristoteles, 1. Buch der Politik (Schütrumpf, wbg)
Hier haben wir die Wurzel der Staatsverherrlichung in Alt-Europa, und wenn man Platons “Politeia” mit Krieger- und Wächterzucht sowie Weibergemeinschaft und Staatserziehung dazunimmt, die stalinistisch-faschistische Pfahlwurzel. 

Wäre im gegenwärtigen Deutschland ein athenisches “Scherbengericht”, die Mehrheitsdiktatur, möglich, das zB einen Bernd Lucke in die Verbannung schickte? Nein, der freiheitliche Boden des Pluralismus verhinderte das. Um von der attischen Mehrheitsdiktatur der Minderheit der Freien zur freiheitlichen deutschen Demokratie der Gegenwart zu gelangen, brauchte es Leute wie Galilei, Leeuwenhoek und Harvey, Hobbes, Locke, Hume, Montesquieu und Kant und viele andere mehr, die der furchtbaren Gewalt der aristotelisch-platonischen Glaubensvereine die Stirn boten. Wie schwierig das war, kann man bei Kant sehen, der sich zwar einen gehorsamen Untertanen Friedrich II. bekennt, aber doch, in seinem wegweisenden Aufklärungs-Aufsatz, für die Zivilgesellschaft des “räsonierenden Publikums” eintritt. 

Damit ist die aristotelische Politik halbwegs überwunden und dem Pluralismus der Boden bereitet. Auf dem kann jeder seinem Glauben, seinem Vermutungswissen und jedwedem Hobby frönen, ohne verhaftet zu werden. Darauf kommt es an. 
Sogar Frauen dürfen wählen, in des Aristoteles Lykeion hatten sie, anders als bei Epikur, keinen Zutritt: “... und ein jeder (Haushaltsvorstand, WD) gebietet unumschränkt über Kinder und Frauen”. (Ebd., S. 13) Herrschaft sei gegen “die Natur der Frau”. Besonders schön bläst der schottische Reformator John Knox diese aristotelische Trompete in seiner Schrift “The first Blast of the Trumpet against the Monstrous Regiment of Women”.
Das Dauerargument des Aristoteles, etwas sei “von Natur aus” so oder so beschaffen, macht ihn zu einem der einflußreichsten Denkverhunzer aller Zeiten. Im Gegensatz zu Epikur. Deswegen hat es so lange gedauert bis zum freiheitlichen Pluralismus der Gegenwart.

Weiterführend: Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, Mchn.1999