Das Leben wird nach vorne gelebt und von hinten verstanden. So lautet ein beliebter Weisheitssatz. An dem gewisse Zweifel angebracht sind, was das spätere Verstehen betrifft. Was nachträgliche Konstruktionen sind, und was tatsächlich Einsicht in eine - oft lang - zurückliegende Handlungssituation darstellt, ist sehr schwer einzuschätzen. Vielleicht sogar unmöglich. Immerhin hat man manchmal das Gefühl, es ginge. Aber auf Gefühle ist kein Verlaß. Wolfgang Marx kann man insofern gut folgen:
„Auf neuronaler Ebene nämlich entspricht einer Entscheidung die Vektorsumme aller Determinanten, die zum Zeitpunkt des Prozesses wirksam waren. Daraus folgt, dass unter gleichen Bedingungen immer das Gleiche geschieht. Es gibt daher keine Plausibilität für den Glauben, man hätte sich in einer gegebenen Situation auch anders verhalten können, als man es getan hat.“
Aber er scheint doch zu wenig zu differenzieren, was die verschiedenen Handlungstypen betrifft. Sind elementare Ebenen einbezogen - wie Sexualität - ist eine rational Kontrolle weniger gegeben als bei Entscheidungen zur Nachmittagsgestaltung. Immerhin, bei Kahneman trifft man auf Möglichkeiten, wie Entscheidungssituationen mit mehr kaltem Kalkül zu unterfüttern sind. Die in verschiedenen Kulturen mehr oder weniger beachtet werden.
Ins Reich der unhaltbaren Spekulation führen Marxens Folgerungen, die er auf wackelige Experimentalbefunde sattelt. Die Moral bzw. das moralische Verhalten speist sich aus Tradition, Regeln und persönlicher Veranlagung. Auch da gilt die Vektorsumme, und sie besitzt einen starken individuellen Einschlag. Ebenso das Bedürfnis nach einem chinesischen Ameisenleben.