Sebastian Haffner war auch ein 68er, aber ein später. 1907 geboren konnte er nicht mehr Mitglied im SDS werden, aber er schrieb im STERN und in der Meinhof-konkret. Und 1968/9 verdrosch Haffner die Mehrheits-SPD in seiner Artikelserie „Die verratene Revolution“ wegen ihrer konstruktiven Rolle 1917/18. Der linke Haffner - 1938 Emigrant nach England - überraschte 1978 alle mit seinem Buch „Anmerkungen zu Hitler“. Der Tenor der Zeit war damals, ähnlich wie heute, daß Hitler ganz pöhse war, und daß die pöhsen Konservativen ihn an die Macht gebracht haben und der pöhse Kapitalismus sein Gaul gewesen sei. Und da schrieb Haffner, der konkret- und STERN-Journalist:
„Aber von 1930 bis 1941 gelang Hitler innen- und außenpolitisch und schließlich auch militärisch so gut wie alles, was er unternahm, zum Staunen der Welt. … Die einzigen innenpolitischen Gegner oder Konkurrenten, mit denen Hitler in den Jahren 1930-34 ernsthaft zu rechnen und zeitweise zu kämpfen hatte, waren die Konservativen. … Aber die Konservativen, mit ihren gut verschanzten Positionen in Heer, Diplomatie und Verwaltung blieben immer ein echtes politisches Problem für ihn - unentbehrlich für den Alltagsbetrieb, halbe Verbündete, aber immer auch halbe Opponenten und mitunter - zum Teil wenigstens, ganze: Papen und Schleicher rührten sich noch einmal in der Krise des Sommers 1934 (Schleicher zahlte dafür mit seinem Leben …), konservative Wehrmachtsgenerale schmiedeten 1938 und 1939 Putschpläne, konservative Politiker wie Goerdeler und Popitz konstruierten während der ganzen Kriegszeit mit den verschiedensten Partnern aus Heer, Staat und Wirtschaft gegen Hitler, und 1944 hatte sich schließlich sogar so eine Art großer Koalition politischer und militärischer konservativer Hitlergegner gebildet, die in dem Unternehmen des 20. Juli gipfelte. Der 20. Juli war in der Substanz ein hochkonservatives Unternehmen - mit Recht ist gesagt worden, seine Totenliste lese sich wie ein Auszug aus dem Gothaischen Adelskalender … “.
Zu Hitler selbst merkte Haffner an:
“Offensichtlich steht Hitler in der Reihe der Diktatoren des 20. Jahrh. irgendwo zwischen Mussolini und Stalin - und zwar, bei genauerem Hinsehen, näher bei Stalin als bei Mussolini. Nichts ist irreführender, als Hitler einen Faschisten zu nennen. Faschismus ist Oberklassenherrschaft, abgestützt durch künstlich erzeugte Massenbegeisterung. Hitler hat wohl Massen begeistert, aber nie, um dadurch eine Oberklasse abzustützen. Er war kein Klassenpolitiker, und sein Nationalsozialismus war alles andere als ein Faschismus. Wir haben bereits im vorigen Kapitel gesehen, daß seine ‘Sozialisierung der Menschen’ genaue Entsprechungen in sozialistischen Staaten wie etwa der heutigen Sowjetunion und der DDR hat …)
Haffner, Anmerkungen zu Hitler, S. 49-61
Die Opposition in der Wehrmacht um die Generale Ludwig Beck (Generalstabschef des Heeres), Hammerstein-Equord, Halder, Oster und Witzleben wollte Hitler verhaften, nachdem der den geplanten Angriff auf Prag begonnen haben würde. Darüber wollten sie mit der britischen Regierung sprechen, doch der ehrenwerte Friedenspolitiker Chamberlain lehnte ab und unterschrieb 1938 lieber das Münchener Diktat.