Rudolf Diesel (1858-1913), ein halber Nürnberger
Ich trage ja weder Diesel-Jeans noch nenne ich einen Diesel-Motor mein eigen. Aber der Diesel-Motor hat doch so große Vorteile, anders als die Hosen, daß die schicken MAN aus der Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg ausschließlich damit fahren. Nicht nur von Augsburg nach Nürnberg und zurück, nein, Dieselloks fahren auch von Ulm über Heidenheim nach Nördlingen und Nürnberg und noch weiter. Der Bau dieser Eisenbahnlinie bewog 1868 den feinsinnigen und freigeistigen Vater Robert Boschs, Servatius Bosch, seinen Verkehrsgasthof in Albeck aufzugeben und nach Ulm zu gehen.
Den Diesel-Motor erfand und entwickelte unter Überwindung größter Schwierigkeiten Rudolf Diesel, dessen Großvater Johann Christoph seinerzeit Memmingen verlassen hatte, um nach Augsburg zu gehen. Weniger wegen der protestantischen “Confessio Augustana”, dem Augsburger Bekenntnis, sondern des damit zusammenhängenden Gewerbereichtums wegen. 1534 hatte sich Augsburg der Reformation angeschlossen. Er war Buchbinder, und sein Sohn Theodor, der Vater Rudolfs, blieb in diesem Gewerbe. Memmingen spielte im Bauernkrieg der Reformation eine sehr protestierende Rolle und verlangte freie Predigerwahl (“12 Artikel in Memmingen”). Die halbe Revolution von 1848 zog Theodor Diesel in ihren Bann, ihr Scheitern ließ ihn ins revolutionär gesinnte Paris auswandern. Geheiratet hatte er zuvor eine Nürnbergerin aus handwerklich-geschäftsbürgerlicher Familie, die dort den kleinen Rudolf gebar, der sich schon als Knabe für alles Mechanische interessierte und die Industrieschule in Augsburg besuchte. Hier vereinigten sich die Maschinenfabrik Augsburg und die Krupp AG später, um Rudolf Diesel die Gelegenheit zur Umsetzung seiner Motor-Idee zu geben. Nach großen Mühen und mit protestantischer Sturheit, die bekanntlich schon Luther auszeichnete, gelang das 1896. Leider war der Pionier Rudolf Diesel als Unternehmer weniger erfolgreich, er nahm ein trauriges Ende.
Heute, wo an jeder Ecke, sogar im katholisch-närrischen Köln, eine Ingenieurschule steht, spielen konfessionelle Standortfragen eine geringere Rolle, zumal sich die konfessionellen Milieus seit Jahren auflösen und die Konfessionen in Sozialarbeiterideologien abgleiten. Der erreichte Wohlstand höhlt zudem den Disziplinaufbau, die Wissensorientierung, die innerweltliche Askese (Sparsamkeit, aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung) des alten Protestantismus langsam auf. Dennoch dürfte sein Erbe noch geraume Zeit nachwirken. Wer den kulturellen Faktor der regionalen konfessionellen Tradition nicht veranschlagt, dem kann es so gehen wie Nokia im orthodoxen, nachkommunistischen Rumänien. Nokia gab sein Werk wieder auf, nicht zuletzt wegen Arbeitsdisziplinproblemen.