Freitag, 26. August 2011

Heinrich Mann hatte diesen Drang zu Damen der Art "Rosa Fröhlich", das war Thomas immer peinlich





- " Freiheit und Gene ": Was für ein Thema! Ozeanweit.
Wilfried Meyer, Gesamtschulrektor i.R., hat sein neues Buch so benannt. Es handelt sich um Essays zu allen wichtigen Bereichen der Gegenwartsdiskussion, von der Erblichkeit der Intelligenz bis zur Demographie. 

Gleich der erste Aufsatz handelt von der Intelligenz und ihren Wahlmöglichkeiten, exemplifiziert an der Berufswahl und der Partnerwahl:
 "Die Freiheit, nicht zu wählen, hat insofern kaum jemand." Und die Intelligenzforschung kommt zu dem Schluß, daß die Erblichkeit der Intelligenz über 50% liege. "Der höchste in den letzten Jahren gemessene Wert für die Erblichkeit der Intelligenz, 78%, stammt bezeichnenderweise aus dem hochgradig egalitären Schweden." (S. 10)
 Der Berufswahl voran geht die Schulkarriere, in Schweden findet sie statt in einem Gesamtschulsystem. Die Schulen und ihre Qualität ähneln sich also sehr stark, so daß im Gesamtschulsystem der Erbfaktor besonders stark hervortritt: wenn die Unterrichtsqualität fast gleich ist, aber Unterschiede bei den Schülern festgestellt werden, so weisen die Ursachen hin auf den Erbfaktor. Meyer und jeder Lehrer dürfte das im Unterricht von der praktischen Seite her vielfach festgestellt haben.  

Da mag manchen Eltern der Schrecken in die Glieder fahren: bin ich etwa mit meinem Genom verantwortlich für die schlechten Schulnoten meines Juniors? Meyer hätte da beruhigend auf die "Regression zur Mitte" (Hans Jürgen Eysenck, Die Ungleichheit der Menschen) hinweisen können: sehr intelligente Eltern haben tendenziell weniger intelligente Kinder, und wenig intelligente Eltern haben tendenziell intelligentere Kinder. Die Intelligenz vererbt sich also nicht wie ein Möbelstück, sondern variabel mit unberechenbaren Ausschlägen. 

Und schließlich ist Intelligenz nicht alles. Genetisch vererbt sind auch andere Faktoren der Persönlichkeit. Heinrich Mann etwa hatte diesen Drang zu Damen der Art "Rosa Fröhlich" ("Prof. Unrat"): ordinär und üppig. Sein Bruder Thomas hatte das nicht im Genom. Immerhin ging es Heinrich Mann nicht so wie Prof. Unrat, aber solche genetischen Vorgaben können das Leben stark beeinflussen und der Intelligenz ein Bein stellen, gerade zeigt das Beispiel Strauss-Kahn erneut, daß auch hohe Intelligenz nicht vor kriminellem und blödem Verhalten schützt. Strauss-Kahn gelang es durch Geschick zwar jahrzehntelang, sein sexuell aggressives Verhalten zu vertuschen, doch mußte er schließlich als Chef des IWF zurücktreten; dort war er früher bereits sexuell auffällig geworden. 
Und noch andere Dinge mehr werden vererbt bis hin zu den kurzen oder langen Beinen. Vieles relativiert sich gegenseitig. Golo Mann sieht sogar selbstzerstörerische Dispositionen in einem erblichen Licht: " Sein Herz war offenbar kaputt, zuviel Alkohol und Drogen (Michael Mann, WD). … Aber der Selbstzerstörungstrieb, welcher dieser verfluchten Familie nun einmal innewohnt, war offenbar auch in ihm, von Anfang an. " (zit. nach H.-M. Gauger, LB FAZ 19.8.11)
 
Wenn Meyer seinen Aufsatz schließt, die "größere Freiheit" genössen diejenigen, die mit den "entsprechenden Genen ausgestattet seien", so ist dem sicher zuzustimmen; allerdings in einem viel größeren Umfang von Erbfaktoren als nur denen, die für den Intelligenzquotienten zuständig sind.
Weiß doch schon der Volksmund: Die dicksten Kartoffeln ernten die dümmsten Bauern.