Donnerstag, 5. April 2012

Der Kindergartenprofessor





Wilhelm Dilthey (1833-1911)
(Bild: Wiki.)



Sie verfügen über die Lufthoheit in den Sendern, und sie laden sich gerne Freunde ein, mit denen sie sich am Mikrofon duzen, in jedem Fall bevorzugen sie aber ähnlich Denkende, Gesinnungsgenossen, wie beim hr2-Doppelkopf, zum Beispiel:

>> Am Tisch mit Olaf-Axel Burow, „Lernfreudiger“ , Donnerstag, 5. April 2012
Lassen sich Schulen und Schulleistungen wirklich durch akribische „Vermessung“ à la Pisa verbessern? „Keinesfalls!“, sagt Olaf Axel Burow, Erziehungswissenschaftler an der Uni Kassel und bundesweiter Berater von Schulen und Bildungseinrichtungen. Eben gerade nicht Druck und Disziplin, sondern Wertschätzung und „Kreative Felder“, so Professor Burow, führen zu Lernfreude und somit auch zu Spitzenleistung. Sein Plädoyer: Schafft Freiräume für Kreativität und Innovation, damit Schulen – und somit unsere Gesellschaft - zukunftsfähig bleiben! Was er damit im Einzelnen meint, erzählt er in diesem Doppel-Kopf-Gespräch. Gastgeberin: Ulrike Schneiberg <<

Da plaudert man dann darüber, daß andere, zentralistisch-gesonnene Linke und Gesamtschulfreunde nicht recht haben mit ihren Pisa-Messungen. Der Pädagogik-Professor Burow gibt dann einen Rousseau-Aufguß zum Besten, durchgerührt mit Waldorf-Pägagogik und garniert mit dem schmissigen Pink-Floyd-Ohrwurm aus THE WALL:
We don’t need no education, we don’t need no thought-control. Hey, teacher, leave us kids alone! All in all you’re just another brick in the wall!

Da die Schüler sehr unterschiedlich sind, haben auch verschiedene Pädagogiken ihre Berechtigung, zumal das Hauptergebnis der Beschulung fast immer das große Vergessen ist. Wenn die Schüler in ihren viel zu vielen Schuljahren Lerndisziplin gelernt haben, dann werden sie sich das für ihr Leben Wichtige dann schon einsammeln.
Keinesfalls läßt sich damit aber die Burow’sche Spaßpädagogik rechtfertigen, es sei denn für den Kindergarten.
Was aber tun mit den Lernbegierigen, den kleinen Blaise-Pascals, die schon mit zehn ihre erste Rechenmaschine bauen? Die mußten damals keine Schule besuchen, die Schulpflicht gab es noch nicht. Sie wurden nicht von der weniger lernbegierigen Mehrheit schikaniert, weil ihr Interesse an Kinderblödsinn begrenzt war.
Diese begabten Lustlerner haben ebenfalls ein Anrecht auf eine ihnen gemäße Schule und Hochschule, an denen sich keine Spaßprofessoren herumtreiben.

Für die Uni empfahl der junge Wilhelm Dilthey 1859 in einem Brief an seinen jüngeren Bruder Karl: “ Du mußt ins Seminar gehen, nicht allein drin sein, sondern Dich darin auszeichnen. Du mußt demnach einen Verkehr haben von solchen, die Dir theils Anleitung und Anregung geben, an denen Du täglich, was Du zu erstreben hast, vor Augen siehst, theils von solchen, mit denen Du gleiche Wege gehst, vielleicht mit ihnen zusammen Dich im Lateinsprechen üben kannst …” (Spoerhase, Das philologische Seminar als Lebensform, FAZ 4.4.12)