Montag, 9. November 2009

Freiheit, die ich meine, und Isaiah Berlin



Trüber Tag, Wald, kalt und naß (4-7°C) ; an solchem Tag wird sinnfällig, warum die Bieber Germanien früher besiedelt haben als die Germanen!

- Berlin: " Am eingängigsten hat Berlin seine These 1958 in seiner Antrittsvorlesung als Chichele Professor of Social and Political Theory in Oxford unter dem Titel "Two Concepts of Liberty" vorgetragen. Positive Freiheit, erklärte er, ist verknüpft mit Selbstbeherrschung und Selbstbestimmung des eigenen Schicksals. Negative Freiheit dagegen ist die Befreiung von allen Zwängen. Berlins Geniestreich bestand darin, kontraintuitiv zu denken. Seit der Antike halten wir Selbstbeherrschung für eine Vorbedingung der Zivilisation und darum für gut. Berlin erkannte, dass sich diese Struktur sehr leicht politisch missbrauchen ließ. Man musste nur ein Prinzip, zum Beispiel Rousseaus volonté générale, zum Prinzip einer Selbstdisziplinierung erheben, dem das Individuum mit seiner volonté particulière sich selbstbestimmend und zugleich erlösend unterwirft, um, so Berlin, auf dem Weg zu Tyrannei und Unterwerfung zu sein. Für Berlin war die positive Freiheit der Königsweg zum Totalitarismus. In der negativen Freiheit sah er die Möglichkeit zur pluralistischen Entfaltung von Werten und Individualität. " Die Logik führt einen nur im Kreis herum, Eine Tagung zum hundertsten Geburtstag des Philosophen Isaiah Berlin in Harvard, F.A.Z., 07.10.2009

/// Rousseaus katastrophale Erfindung des volonté générale, des Einheitswillens, führte auf direktem Wege zur Massenmordpraxis Robespierres. Mit allen politischen Einheitsgedanken muß außerordentlich behutsam umgegangen werden. Der Einheitsgedanke wird von Staatsfunktionären gerne für ihre Machtzwecke eingespannt. Ebenso der mythische Begriff VOLK, wo es spätestens seit der Völkerwanderungszeit, ausgelöst durch klimatische Abkühlung, in Europa nur Mischbevölkerungen gibt. Der Sturz der kommunistischen Kerkermeister und Mauermörder in Ostberlin war ein sehr erfreuliches, ein großartiges Ereignis. Leider nahm nur ein kleinerer Teil der ostdeutschen Bevölkerung ihr Leben in die eigenen, aktiven Hände, der andere Teil gefiel sich, gewöhnt an die Diktatur seit 1933, im Gelenkt-und-Versorgtsein-Wollen, was ins Anspruchstellen mündete. Ich empfinde die Begrifflichkeit Berlins etwas sperrig, zumal auch eine Verwechslungsgefahr mit der privaten Lebensführung droht: hier, anders als in der politischen Sphäre, ist die Selbstbeherrschung ein großes Ziel. Und die Selbstbestimmung: Werde der, der du bist! (Nietzsche) Die Politik neigt dazu, ständig Dinge zu erfinden und für alle verpflichtend machen zu wollen, da das ihren Führungsstatus betätigt. Die Eitelkeit treibt die Staatsfunktionäre zudem, sich unsterblich zu machen durch Eingang in die Geschichte, die schlimmsten unter ihnen erobern dazu, wie Alexander oder Kyros etc., die halbe Welt. Ihren Untertanen verlangen sie Selbstbeherrschung und Unterwerfung unter die vermeintlich große Sache ab. Für Sparta, für den Glauben, für das Reich, für den göttlichen Kaiser, den großen Napoleon, die Revolution, den Sieg über den Imperialismus, die Überwindung des Systems, die Gerechtigkeit, die soziale Gerechtigkeit - der Einfälle ist kein Ende. Frage nicht, was der Staat für dich tut, sondern, was du für dein Land tun kannst, appellierte Kennedy seinerzeit an die Bürger, wobei er den Staat beschönigend LAND nannte. Beides ist nicht besonders richtig. Natürlich ist der Staat für die Bürger da, er soll für die innere und äußere Sicherheit sorgen und allgemeine Aufgaben wie die Infrastruktur wahrnehmen. Der Bürger soll sich konstruktiv verhalten und mit den anderen Landesbewohnern kooperieren im Rahmen der Gesetze, die aber keine Gesetzesflut sein dürfen zur Unterdrückung der individuellen Gestaltungsfreiheit. Ich möchte nicht zwangskrankenversichert sein bei einer staatlichen Behörde oder bei halbstaatlichen Einrichtungen wie den gesetzlichen Krankenkassen, wo viele Funktionärsstellen eingerichtet sind bei guter Bezahlung und halber Leistung und die von der Politik durch immer neue Bestimmungen gelenkt werden - Ulla Schmidt läßt grüßen, die jetzt mit sechzig und 8410 Euro Monats-Pension aus dem Gesundheitsministerium ausgeschieden ist. (Vgl. Looman, FAZ 10.10.09)
Aber war Ulla Schmidt nicht demokratisch legitimiert zu ihrer freiheitsverzehrenden Politik? Das war sie zweifellos, die Partei, die gewählt wurde, zu etwa 35% damals, hat sie auf diesen Posten geschoben. Wie stark ist eine solche Legitimität über zehn Ecken einzuschätzen? Wie überzeugend ist eine Demokratie, die alle vier oder fünf Jahre den Wähler abstimmen läßt zur Vergabe eines Blankoschecks? Recht gering, würde ich meinen, der Wähler kann nichts direkt entscheiden, er darf nur Parteien wählen, die über die festgelegten Landeslisten ihre Kandidaten bestimmen. Nach dem Prozentsatz der Zweitstimmen zieht dann eine bestimmte Zahl Parteipolitiker in das Parlament ein, wo sie, und nicht der Wähler, den Staatschef bestimmen. Diese deutsche, repräsentative Demokratie ist natürlich jeder Diktatur vorzuziehen, da kann es keinen Zweifel geben, aber sie ist auch eine einzige Mißtrauenserklärung an den Bürger. Die repräsentative Demokratie sagt dem Wähler: Du bist zu dumm, etwas direkt zu bestimmen, das machen wir, die Funktionäre, für dich. Das kann aber nicht begeistern. Das ist eine Zumutung. Das fördert die Abgehobenheit der politischen Klasse. Das stärkt nicht den individuellen Gestaltungsraum des Bürgers, Freiheit genannt. Der Sturz der Diktatur ist nur die Voraussetzung für Freiheit. Bürgerliche Freiheit. Die repräsentative Demokratie läßt nur das halbe Potential zu, die bürgerliche Freiheit gedeihen zu lassen. Sie stärkt das Funktionärstum, die hyperaktiven Hinterzimmersitzer, die die Tagesordnung für die nächste Sitzung auskungeln, die die Rangfolge der Listenplätze aushandeln. Ein neuer Kandidat muß da erst den Kniefall vor den leitenden Funktionären üben. Er muß meist die Ochsentour vom oft unsäglichen Parteistammtisch des Ortsvereins durch tausend weitere Gliederungen und Gremien absolvieren, bis er genau so grau und stromlinienförmig geworden ist wie die Münteferings und Merkels, und genau so machtbewußt.- Es ist Zeit für mehr direkte Demokratie. Man kann es von der Schweiz lernen.

- Roter Novembermob: Man sollte sich übrigens an einem 9. November auch daran erinnern, daß am Abend des 9.11.89 ein großer linker Mob die improvisierte Rede des Kanzlers Helmut Kohl vor der geöffneten Mauer pausenlos von Anfang bis Ende durch gellende Trillerpfeifen und viele, ekelhafte Eierwürfe störten, die durch Regenschirme abgefangen werden mußten, was aber nicht immer gelang.