Samstag, 26. Juli 2014

Die Evolution ist aus krummem Holz geschnitzt









Aus einer Korrespondenz:
Lieber Herr Pfarrer,
das ist sicher salomonisch: jeder muß seinen eigenen Weg finden, und das, was zu ihm paßt.

Allerdings unterwerfen Organisationen, und Kirchen sind Organisationen, die Individuen ihren Vorstellungen. Von der Säuglingstaufe an. Der ausgeübte Zwang ist jedoch unterschiedlich stark, und man kann wahrscheinlich sagen, daß das Christentum das beste aus dem mosaischen Glauben gemacht hat – unter dem Einfluß auch der STOA – und daß wiederum der Protestantismus das beste aus dem Katholizismus machte. 
Andere Religionen bleiben nach dem Maßstab der Lessing’schen Ringparabel unbeachtet. Man muß da nur nach Indien oder Arabien blicken.

Doch der Luther, der das Christentum sublimierte und den inneren, subjektivierten Glauben stärkte, besonders in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, dieser Luther wird, kaum ist er selbst der Verfolgung entkommen, selbst verfolgerisch und ermuntert die Obrigkeit, die aufständischen Bauern drakonisch niederzuwerfen. 
Die Bauern hatten nämlich die Aussage Luthers, ein Christenmensch sei frei und niemandem untertan, richtig verstanden, was Luther aber für völlig falsch hielt. Daher sein Aufruf „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“: 
man „... soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muß.“
Und in der Schrift des alten Luther „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543) heißt es:
„Erstens, daß man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, daß wir Christen sind ...“
Und der sublimere Calvin? Er errichtete in Genf eine talibanhafte Gemeindeordnung, die Tanz und Unterhaltung verbot - den Michel Servet ließ er gar als Häretiker töten.

Resümierend läßt sich sagen: es ist in allen. Die Neigung zur Gewalt. Woher kommt das? Damit wären wir bei der darwinischen Betrachtung. Es ist nicht in allen, es ist in allen Männern, aber verschieden stark. Offenbar hatten Männer mit größerer Neigung zur indirekten und direkten Gewalt mehr Nachkommen als Männer mit niedrigerem Testosteronspiegel und Selbstbeherrschung. Hier spielt das Christentum eine Rolle mit seiner Propagierung der Einehe und der Leib- und Sexfeindlichkeit, die auch in der STOA, beispielsweise bei Epikur, vorhanden ist. 
In der christlichen Kirche hatten daher friedlichere Männer – das gilt auch heute noch – größere Fortpflanzungschancen denn je. Daher dürfte ihr steigender Anteil an der Gesellschaft sich tendenziell im Zusammenspiel mit dem Aufbau von Sicherheitsinstitutionen befriedend ausgewirkt haben. (Vgl. Manuel Eisner, Individuelle Gewalt und Modernisierung in Europa, 1200-2000 sowie Susanne Karstedt, Individualismus und Gewalt: Extreme Modernisierung oder Re-Traditionalisierung der Gesellschaft. Ein interkultureller Vergleich; beide in: Gewaltkriminalität zwischen Mythos und Realität, hg. von Günter Albrecht u.a., 2001, sowie Steven Pinker, Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit).

Allerdings steigt seit etwa dreißig Jahren die Homizidrate in Europa wieder an. Woran mag das liegen? Es soll ja Einwanderer geben, die sogar ihre Töchter und Schwestern töten. Eine sehr, sehr alte Tradition, die vermutlich auch in einer stammesgeschichtlichen Verbindung steht mit dem Infantizid bei anderen Säugetieren.
Mit durchaus darwinischen Grüßen!