Die Hauptsache:
"Wesen der Seele
Denn man weiß ja doch nichts von dem Wesen der Seele; man weiß nicht,
Ob sie schon mit der Geburt in uns eingeht oder ob dann erst
Sie entsteht und im Tod mit dem Leibe zusammen sich auflöst;
Ob sie im Orkus verschwindet und seinen geräumigen Schlüften
Oder ob Götterbefehl sie in andre Geschöpfe verbannet.
…
Also es ziemt uns zunächst auf die himmlischen Dinge zu achten
Und mit Fleiß zu erforschen die Bahnen der Sonn' und des Mondes,
Wie sie laufen und welcherlei Kraft sich in allem betätigt
Hier auf Erden. Doch forschenswert vor allem bedünkt mich
Unsere Seele, woher sie stammt, und das Wesen des Geistes,
Und was unsere Seele im Wachen nicht minder zu schrecken
Pflegt wie im Krankheitsfall und wenn wir vom Schlafe betäubt sind,
Daß wir die Toten zu sehen und Stimmen von jenen zu hören
Meinen, deren Gebein schon längst von der Erde bedeckt wird.
Jene Gemütsangst nun und die lastende Geistesverfinstrung
Kann nicht der Sonnenstrahl und des Tages leuchtende
Helle Scheuchen, sondern allein die Naturanschauung und Forschung.
Denn man weiß ja doch nichts von dem Wesen der Seele; man weiß nicht,
Ob sie schon mit der Geburt in uns eingeht oder ob dann erst
Sie entsteht und im Tod mit dem Leibe zusammen sich auflöst;
Ob sie im Orkus verschwindet und seinen geräumigen Schlüften
Oder ob Götterbefehl sie in andre Geschöpfe verbannet.
…
Also es ziemt uns zunächst auf die himmlischen Dinge zu achten
Und mit Fleiß zu erforschen die Bahnen der Sonn' und des Mondes,
Wie sie laufen und welcherlei Kraft sich in allem betätigt
Hier auf Erden. Doch forschenswert vor allem bedünkt mich
Unsere Seele, woher sie stammt, und das Wesen des Geistes,
Und was unsere Seele im Wachen nicht minder zu schrecken
Pflegt wie im Krankheitsfall und wenn wir vom Schlafe betäubt sind,
Daß wir die Toten zu sehen und Stimmen von jenen zu hören
Meinen, deren Gebein schon längst von der Erde bedeckt wird.
Jene Gemütsangst nun und die lastende Geistesverfinstrung
Kann nicht der Sonnenstrahl und des Tages leuchtende
Helle Scheuchen, sondern allein die Naturanschauung und Forschung.
Sie muß füglich beginnen mit folgendem obersten Leitsatz;
Nichts kann je aus dem Nichts entstehn durch göttliche Schöpfung.
Denn nur darum beherrschet die Furcht die Sterblichen alle,
Weil sie am Himmel und hier auf Erden gar vieles geschehen
Sehen, von dem sie den Grund durchaus nicht zu fassen vermögen.
Darum schreiben sie solches Geschehn wohl der göttlichen Macht zu.
Haben wir also gesehen, daß nichts aus dem Nichts wird geschaffen,
Dann wird richtiger auch die Folgerung draus sich ergeben,
Woraus füglich ein jegliches Ding zu entstehen im Stand ist
Und wie alles sich bildet auch ohne die Hilfe der Götter.
Gäb' es Entstehung aus Nichts, dann könnt' aus allem ja alles
Ohne weitres entstehen und nichts bedürfte des Samens."
Nichts kann je aus dem Nichts entstehn durch göttliche Schöpfung.
Denn nur darum beherrschet die Furcht die Sterblichen alle,
Weil sie am Himmel und hier auf Erden gar vieles geschehen
Sehen, von dem sie den Grund durchaus nicht zu fassen vermögen.
Darum schreiben sie solches Geschehn wohl der göttlichen Macht zu.
Haben wir also gesehen, daß nichts aus dem Nichts wird geschaffen,
Dann wird richtiger auch die Folgerung draus sich ergeben,
Woraus füglich ein jegliches Ding zu entstehen im Stand ist
Und wie alles sich bildet auch ohne die Hilfe der Götter.
Gäb' es Entstehung aus Nichts, dann könnt' aus allem ja alles
Ohne weitres entstehen und nichts bedürfte des Samens."
Lukrez: Über die Natur der Dinge