Mittwoch, 24. November 2021

Mit Ron Sommer zu den Mondpreisen

 Ein bewegungsarmes Staatsunternehmen wird vor rund 20 Jahren privatisiert und an die Börse gebracht - zu realistischen Preisen und erfolgreich. Dem Unternehmenschef, dem Mathematiker Sommer, stieg der Erfolg zu Kopf und er brachte weitere Anteile heraus zu zuletzt Phantasiepreisen, die viele verwirrte Köpfe tatsächlich kauften und später mit schlimmen Verlusten bezahlten. 

Grotesk, daß der jetzige Rechtsstreit um eine Bagatelle, einen mutmaßlichen Prospektfehler, geht. 

Dienstag, 23. November 2021

Interpretationen und Kommunikationen sind Glückssache



“In mehr als hundert Fällen haben wir die Begleitumstände des sozialen Geschehens untersucht, wenn jemand für schizophren gehalten wird. Unserer Meinung nach stellen dabei ohne Ausnahme Erfahrung und Verhalten, wenn sie als schizophren gelten, eine spezielle Strategie dar, die jemand erfindet, um eine unerträgliche Situation ertragen zu können.”

(Ronald D. Laing in “Phänomenologie der Erfahrung”, 1967, es S. 104)

Solchen für die Patienten gefährlichen, blühenden Unsinn sonderte Laing ab und fand damit auch in Deutschland zahlreiche Anhänger nicht nur unter Psychiatern. Naturwissenschaftlich orientierte Ärzte wurden angefeindet und es wurden ihnen Nazi-Methoden unterstellt. Das wirkt bis heute nach.

Rätsel Religion

Religion tritt sozial als Lebensabschnittsritualspenderin auf, auch als Geselligkeitsvermittlung, andererseits als spirituelle Sinnvermittlerin für das gläubige Individuum. Beides kann kongruent sein oder auch getrennt. Die soziale Seite - um die geht es Luhmann - ist einerseits trivial, weil die Religion einfach tradiert wird, von Eltern und Kirche/Schule sozialisiert; andererseits offenbar mit tief empfundenem Gefühl erlebt wird (zb Radioastronom Heino Falcke). Wie stellt sich da der Sinn her? Durch spezifische Kommunikationen, meint Luhmann, im Medium Sinn. Das ist wohl so, bleibt mir aber doch rätselhaft. Die Andockstelle muß sich in den neuronalen Bahnen befinden, die ein entsprechendes Bewußtsein hervorbringen. Werden diese Bahnen in der Großhirnrinde erst durch religiös konnotierte Kommunikationen geschaffen? Ist das die Sinndockstelle überhaupt?

Freitag, 19. November 2021

Reichlich Wasser

Überall gab es die Sintflut, Thomas Mann sieht sie auch in China am Werke. Allerdings überschlägt er Amerika. Da gibt uns überraschend Francis Bacon Auskunft: “innerhalb von hundert oder noch weniger Jahren wurde jenes Groß-Atlantis vollständig zerstört … durch eine besondere Sintflut oder Überschwemmung.” (Francis Bacon, Nova Atlantis, 5. Die Sintflut Amerikas) Und so hat Th. Mann in “Joseph und seine Brüder” recht, daß mit der Zeit jede alte “Heimsuchung durch Wassersnot” als Sintflut galt; Bacon nimmt sie für seine utopischen Zwecke in Dienst. Heute, in ziemlich säkularen europäischen Zeiten, ist an die alte Sintflutstelle die “globale Erwärmung” getreten, die aber - bei stagnierenden Temperaturen - schnell ausgetauscht wurde durch den unauffälligeren “Klimawandel”, der Bacons insulare Neugründung Nova Atlantis durch den angeblichen Meeresspiegelanstieg bedroht; der schwedische Ozeanograph Axel Mörner hält solchen Phantasien seine Meßergebnisse entgegen, aber was vermögen die schon gegen einen Mythos. 


Dienstag, 16. November 2021

Ja, so war's! Oder so ähnlich.

 “Gewisse Funde bestimmen die Experten der Erdgeschichte, das Alter der Menschenspezies auf fünfhunderttausend Jahre zu schätzen. Das ist knapp gerechnet, erstens in Anbetracht dessen, was die Wissenschaft heute für wahr lehrt: daß nämlich der Mensch in seiner Eigenschaft als Tier das älteste aller Säugetiere sei und schon in Zeiten späterer Lebensfrühe, vor aller Großhirnentfaltung, in verschiedenen zoologischen Modetrachten, amphibischen und reptilischen, auf Erden sein Wesen getrieben habe; zweitens aber wenn man erwägt, welche unabsehbaren Zeitstrecken erforderlich gewesen sein müssen, damit aus dem halbaufrechten, traumwandlerischen und von einer Art Vor-Vernunft durchzuckten Beuteltiertypus mit verwachsenen Fingern, welchen der Mensch vor dem Erscheinen Noah-Utnapischtims, des Hochgescheiten, verkörpert haben muß, der Erfinder von Pfeil und Bogen, der Nutznießer des Feuers, der Meteoreisenschmied, der Züchter des Korns, der Haustiere und des Weines wurde – mit einem Worte das altkluge, kunstfertige und in jeder entscheidenden Hinsicht moderne Wesen, als das der Mensch uns beim ersten Morgengrauen der Geschichte bereits entgegentritt.”


Mann, Thomas. Joseph und seine Brüder, Pos. 385ff./ Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) . FISCHER E-Books. Kindle-Version. 


Sonntag, 14. November 2021

Wir erzählen uns mal was

“Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? Dies nämlich dann sogar und vielleicht eben dann, wenn nur und allein das Menschenwesen es ist, dessen Vergangenheit in Rede und Frage steht: dies Rätselwesen, das unser eigenes natürlich-lusthaftes und übernatürlichelendes Dasein in sich schließt und dessen Geheimnis sehr begreiflicherweise das A und das O all unseres Redens und Fragens bildet, allem Reden Bedrängtheit und Feuer, allem Fragen seine Inständigkeit verleiht. Da denn nun gerade geschieht es, daß, je tiefer man schürft, je weiter hinab in die Unterwelt des Vergangenen man dringt und tastet, die Anfangsgründe des Menschlichen, seiner Geschichte, seiner Gesittung, sich als gänzlich unerlotbar erweisen und vor unserem Senkblei, zu welcher abenteuerlichen Zeitenlänge wir seine Schnur auch abspulen, immer wieder und weiter ins Bodenlose zurückweichen.”


Mann, Thomas. Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) FISCHER E-Books. Kindle-Version. 


Und je tiefer man dringt, desto mehr Mythen finden sich - mal abgelegte, mal erneuerte, mal ineinander verschlungene - und desto mehr Wurzeln der gegenwärtigen Mythen entdecken sich. Oft werden sie jetzt ungeniert Narrative genannt. 


Mittwoch, 10. November 2021

Klimaschau #78: Werden Privat-PKW bald aus Klimaschutzgründen ganz verbo...

Wenn das Bundesumweltamt träumt, wird es ein Albtraum für die Bürger. Noch zurückgehalten werden die Vorstellungen zum Wohnraum: 10qm pro Nase sind genug. Die eingesparte Fläche wird mit Gummibäumen bepflanzt. 

Montag, 8. November 2021

Religion in Detroit




Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre interviewten Gerhard Lenski und Mitarbeiter von der Uni Michigan rund 600 Detroiter in Bezug auf Religion und Lebensstil. Er fand, daß Religion in vielerlei Hinsicht einen klaren Einfluß auf das Leben von modernen Großstädtern besitzt.

“On many of the variables analyzed, the four major socio-religious groups split into two divisions: white Protestants and Jews on the one hand; Negro Protestants and Catholics on the other. This pattern is most evident in economic behavior. White Protestants and Jews have a positive attitude toward work more often than Negro Protestants or Catholics, especially in upper middle class jobs. They are liklier to believe that ability is more important than family connections; to be self-employed; to believe in intellectual autonomy; and to have small families.”*

Daher läßt sich auch verstehen, warum Südamerika und die USA sich so stark unterscheiden. 


Gerhard Lenski, The Religious Factor, 1963, S. 321


Sonntag, 7. November 2021

Klimaschau #77: Südpol mit kältestem Winterhalbjahr der gesamten Messges...

In einer Warmzeit sind per definitionem die Pole eisfrei - wie etwa vor rund 40 Mio. Jahren https://zeitung.faz.net/faz/natur-und-wissenschaft/2020-05-27/warme-antarktis/463921.html - wir leben daher in einer Zwischeneiszeit, in der es hoffentlich erst einmal nicht kälter wird. In England ist der erste Schnee gefallen. 

Samstag, 6. November 2021

Winckelmann

"Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke."

Winckelmann, Johann Joachim. Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, 1755, (S.16). Kindle-Version.


Die Idealisierungen Winckelmanns bestätigten sich nicht. Aber sie machten Schule in ganz Westeuropa. Winckelmann, das Wunderkind aus der Schusterwerkstatt, brachte es zum Präsidenten der Altertümer in Rom. 

“Ein brennender Bildungshunger ließ ihn keine Anstrengung scheuen, um begehrte Bücher zu erlangen. In jedem Jahre wanderte er zur Messe nach Leipzig; Magdeburg, Halle, Hadmersleben und Braunschweig, Pfarrhäuser und Adelssitze waren seine Ziele, wenn sie nur Bibliotheken hatten oder Bücher zum Verkauf bereithielten.”

(Helmut Holtzhauer, Winckelmanns Werke, Einleitung, S. XIV)


Freitag, 5. November 2021

Isokrates

Sprache als Formkraft des Denkens

“... so haben wir nicht nur aufgehört, nach Art der Tiere zu leben, sondern wir haben auch durch Zusammentreten Städte gegründet, und uns Gesetze gegeben und Künste erfunden, und beinahe alles, was durch uns mit Vernunft und Kunst erfunden wurde, hat uns auch die Sprache zur Vollendung gebracht. Denn sie hat über das, was gerecht und ungerecht, was edel und schimpflich ist, Gesetze gegeben, Bestimmungen, ohne welche wir nicht imstande wären, beisammen zu wohnen”.*

In der Tat, die Sprache ist das Menschliche schlechthin, sie befähigt zu einer kulturellen Evolution ohnegleichen. Sie wird eingesetzt zur Dokumentation, zur Argumentation, zu Hetze und Gehirnwäsche. Multifunktional. Man kann sich nur wundern, daß die Entwicklung im Westen per Saldo ziemlich erfolgreich war. 


Isokrates, Vom Vermögenstausch 15, zit. bei Walter Ruegg, Antike Geisteswelt, Bd. II, S. 74


Mittwoch, 3. November 2021

Klimaschau #76: Immer mehr Menschen benötigen immer mehr Energie

E10 ist destruktiv, Palmöl-Plantagen müssen nicht sein. Das unbegrenzte Bevölkerungswachstum ist das Hauptproblem des Planeten, Familienplanung die Hauptaufgabe. 

Montag, 1. November 2021

RAINER MARIA RILKE - DIE ERSTE DUINESER ELEGIE

Sind sie schon geboostet? In der modernen Mitte ist das jetzt angesagt. Sie wollen doch keinen neuen Lockdown, Sie wollen doch shoppen!

Was derzeit und schon längere Zeit aus den Mündern der Medien quillt, sind Sprachmüll und Phrasen aller Art, garniert mit moralischen Imperativen zur Weltbeglückung und Weltrettung. 

Das ist die “gedeutete Welt” Rilkes aus der ersten Duineser Elegie auf der Stufe der Verhunzung. Rilkes Sprache bildet den äußersten Kontrast zu den Sprachhülsen der Politik. Sie steht gegen die “Entzauberung der Welt”, wie sie Max Weber konstatierte. Rilke - 1875 geboren - lebt noch in der religiösen Welt und fühlt sich existenziell unbehaust. Umsomehr, als das große Thema der Elegien der Tod ist, den “keiner ganz aussinnt”. 

Man muß Rilkes Besinnungen in den Elegien nicht unbedingt folgen, Rilkes Engel ergreifen den religiös Unmusikalischen nicht, aber sie kommen doch etwas würdiger daher als die stündlich wiederholte Ansage aus dem Robert-Koch-Institut und seinem Anhang. Da haucht uns die Leere an. Aber Leere gehört nicht zum Wortschatz der modernen Mitte.