Donnerstag, 31. März 2022

Ja, gut gesagt, Herr Kant

“Da die Menschen in ihren Bestrebungen nicht bloß instinctmäßig wie Thiere und doch auch nicht wie vernünftige Weltbürger nach einem verabredeten Plane im Ganzen verfahren: so scheint auch keine planmäßige Geschichte (...) von ihnen möglich zu sein. Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wenn man ihr Thun und Lassen auf der großen Weltbühne aufgestellt sieht und bei hin und wieder anscheinender Weisheit im Einzelnen doch endlich alles im Großen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende nicht weiß, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung für einen Begriff machen soll.”


Kant, Immanuel. Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784. Kindle-Version, Pos. 18 


Dienstag, 29. März 2022

Klarer Sieg nach Punkten!

Friedrich Schlegel und Hegel


Schlegel predigt gegen Hegel,

für den Teufel schieb’ er Kegel


Hegel spottet über Schlegel

Sagt, er schwatzt’ ohn’ alle Regel


Schlegel spannt der Mystik Segel;

Hegel faßt der Logik Flegel.


Kommt, ihr Deutschen, Kind und Kegel,

Von der Saar bis an den Pregel!


Schaut, wie Schlegel kämpft mit Hegel!

Schaut, wie Hegel kämpft mit Schlegel!


1827 August Wilhelm Schlegel 


Es werden zwischen Saar und Pregel in Ostpreußen nicht ganz so viele zugesehen haben, aber die konfessionellen Gegensätze und der Kampf um ein geeintes Deutschland - groß mit Österreich, klein ohne - trieb nicht nur Metternich und Schlegel um. Politisch relevant wurde diese Frage aber erst 1848/9, und Bismarck entschied sie 1870/1. Das katholische Österreich wurde eine eigene Nation. 


Montag, 28. März 2022

Wie kommt ein Hannoveraner Pastorensohn in katholische Wienerische Dienste?

Gute Frage! Es ist ein verworrener Weg, bei dem Napoleon und sein Gegenspieler Metternich aus dem Rheinland eine Rolle spielen und auch die Frau de Stael. Sie reiste 1809 mit August Wilhelm Schlegel nach Wien, woraus sich eine Hofsekretärsstelle für den stellungslosen Bruder Friedrich ergab, die dann auch - für Österreich - zum Wiener Kongreß führte. Arbeitgeber Metternich war zufrieden mit Friedrichs dokumentarischer und publizistischer Arbeit und schickte ihn - für Österreich - zum Deutschen Bundestag nach Frankfurt. Denn Friedrich Schlegel vertrat die großdeutsche Lösung, Wiens Kaiser Franz I. sollte in die Fußstapfen seines Vorfahren Karls V. treten und das alte Reich, das es nur in der Phantasie gab, wiederbeleben. Das erboste den preußischen Hegel aus Tübingen:

“wogegen die gegenteilige, nämlich die Friedrich Schlegelsche Befreiung und Katholisierung unser aller, geradezu vor die Schweine gegangen ist und derselbe es für Glück wird anzusehen haben, wenn nur der Galgen von ihm befreit bleibt.”

(Ernst Behler, Friedrich Schlegel, 1966, S. 165)(Auf FB hätte Hegel das nicht schreiben dürfen!)


Sonntag, 27. März 2022

Die Schlegels in Genf

Napoleon der Gräßliche verwies 1802 die reiche Erbin Necker alias Madame de Stael des Landes. Sie ging nach Genf und betätigte sich als Saloniere. Sie lud 1804 auch August Wilhelm Schlegel an den Genfer See, wo er vier Jahre blieb und den Shakespeare übersetzte. Bruder Friedrich folgte ebenfalls einer Einladung und fand im Stael-Schloß Coppet viel Beachtung, insbesondere sein Werk “Über Sprache und Weisheit der Indier”. Er begründete damit die deutsche Indologie, was man einem Romantiker nicht unbedingt erwartet hätte.  


Samstag, 26. März 2022

Protestantisches Pfarrhaus

Ja, auch Friedrich Schlegel ging daraus hervor, wie sein Bruder August Wilhelm. An ihrer intellektuellen Begabung besteht kein Zweifel, sie begründeten die Literaturkritik in Deutschland. Und Friedrich konvertierte - der einzige Fall dieser Art - zum Katholizismus, dergestalt dokumentierend, daß das Denken im Verlauf der Lebensjahre recht merkwürdige Kapriolen schlagen kann und es oft tatsächlich tut. Friedrich Schlegel bekam vom Papst sogar den Christusorden verliehen, eine der höchsten Auszeichnungen des Vatikans. 


Freitag, 25. März 2022

Goethe und die Romantik


„Mir ist ein neuer Ausdruck eingefallen“, sagte Goethe, der das Verhältnis (zwischen Klassik und Romantik, WD) nicht übel bezeichnet. Das Klassische nenne ich das Gesunde und das Romantische nenne ich das Kranke. Und da sind die Nibelungen klassisch wie der Homer, denn beide sind gesund und tüchtig. Das meiste Neuere ist nicht romantisch, weil es neu, sondern weil es schwach, kränklich und krank ist, und das Alte ist nicht klassisch, weil es alt, sondern weil es stark, frisch, froh und gesund ist. Wenn wir nach solchen Qualitäten Klassisches und Romantisches unterscheiden, so werden wir halb im reinen sein.“ (Eckermann - Gespräche mit Goethe, 2. April 1829)

Was hätte er zu Foucault und Derrida, Lacan und Judith Butler gesagt?

Donnerstag, 24. März 2022

Eine Seite der Romantik

 Poesie, meinte Friedrich Schlegel, fängt so an: “den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen. … Es gehört mit dahin, daß die seltsamsten Absprünge von der höchsten Höhe zur tiefsten Tiefe meinem Gefühl so gewöhnlich sind”. 

Das erschien Goethe bekanntlich ziemlich krank, aber interessant an der Literatur- und Geistesgeschichte ist, daß zu jeder Zeit von gescheiten Köpfen viel Unsinn geschrieben wurde; das kann zur Selbsterkenntnis der Leser beitragen, wenn sie kritisch lesen. In der Physik ist das leider nicht so. Da soll manchmal gleich die ganze Welt gerettet werden. 

(Zitate bei Fritz Martini, Deutsche Literaturgeschichte, S. 315, 319)  


Mittwoch, 23. März 2022

Welchen Einfluß hat das Milieu und haben die Zeitverhältnisse?

Goethe hat dem in seiner Autobiographie nachgespürt:

“Denn dieses scheint die Hauptaufgabe der Biographie zu sein, den Menschen in seinen Zeitverhältnissen darzustellen, und zu zeigen, inwiefern ihm das Ganze widerstrebt, inwiefern es ihn begünstigt, wie er sich eine Welt- und Menschenansicht daraus gebildet, und wie er sie, wenn er Künstler, Dichter, Schriftsteller ist, wieder nach außen abgespiegelt. Hiezu wird aber ein kaum Erreichbares gefordert, daß nämlich das Individuum sich und sein Jahrhundert kenne, sich, inwiefern es unter allen Umständen dasselbe geblieben, das Jahrhundert, als welches sowohl den Willigen als Unwilligen mit sich fortreißt, bestimmt und bildet, dergestalt, daß man wohl sagen kann, ein jeder, nur zehn Jahre früher oder später geboren, dürfte, was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft, ein ganz anderer geworden sein.”  

Goethe, Johann Wolfgang. Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (S.2-3). Zenodot Verlagsgesellscha. Kindle-Version. 


Wirklich? “Zehn Jahre früher oder späte

r geboren, dürfte (er), was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft, ein ganz anderer geworden sein.” Ein ganz anderer?

Es gab bei Goethe tatsächlich recht bedeutsame Ereignisfenster, die Gleichaltrigkeit mit Carl August etwa, die zu der Einladung nach Weimar führte, und auch Schillers Zuzug nach Weimar 1787. Weimar bot Goethe einen Entfaltungsraum, den er in Frankfurt so nicht gehabt hätte. Doch wäre er tatsächlich “ein anderer geworden”? 

Kaum. Denn seine Persönlichkeitseigenschaften, wie sie ihm genetisch von den Eltern mitgegeben waren, hätten sich an jedem anderen Ort ganz ähnlich entwickelt, als da zum Beispiel sein Hang zum Wissen und zum Schreiben sind. Und natürlich gewährte ihm die genetische Mitgift der Eltern und Großeltern ein gesundes, langes Leben, des Schiller entbehrte mit seiner kurzen Lebensspanne von 1759 bis 1805. Schiller kam nicht in den Genuß der Jahrzehnte für ein Spätwerk, wie es Goethe schuf.  


Es gilt also mehr, genetisch gewendet:


Goethe – Urworte. Orphisch ΔΑΙΜΩΝ, Dämon. 

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, 

Die Sonne stand zum Gruße der Planeten, 

Bist alsobald und fort und fort gediehen, 

Nach dem Gesetz wonach du angetreten. 

So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen, 

So sagten schon Sibyllen, so Propheten; 

Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt 

Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.


Montag, 21. März 2022

Heimisches Schiefergas gegen Abhängigkeit von russischem Gas - Klimascha...

Ja, gut, Schiefergas! Aber auch die billige Tagebau-Kohle nicht vergessen! "Die heimische Braunkohle kann als eine relativ günstige Energiequelle nicht hoch genug eingeschätzt werden.  ... einer potentiellen Reichweite von mehreren 100 Jahren ..."  „ Die Energieversorgung sichern“ , Denkschrift der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, S. 12f. Und die Laufzeit der Kernkraftwerke verlängern, wie in Belgien.

Popper erinnert

 "Ich weiß natürlich, daß vieles verbessert werden sollte. Das Wichtigste ist wohl, daß unsere 'Demokratien' von Mehrheitsdiktaturen nicht hinreichend klar unterschieden sind. Aber es hat niemals vorher in der Geschichte Staaten gegeben, in denen die Menschen so frei leben konnten und in denen sie die Möglichkeit hatten, ein ebenso gutes oder besseres Leben zu führen."

Karl Popper, Bemerkungen zu Theorie und Praxis des demokratischen Staates, Vortrag 9.6.1988, München  

Platon als Hippie?

 War Platon in seinem STAAT ein Ironiker?

Immer wieder taucht diese These auf, etwa bei Kurt Hübner und Franz Vonessen. Mehrheitlich wird das bestritten, und ich denke, daß er tatsächlich im Buch 2 / 11,12 ironisch ist - aber nur dort - in der Wendung:

“Erstens also wollen wir erwägen, in welcher Art und Weise jene so Eingerichteten ihr Leben führen werden. Werden sie es irgend anders machen, als daß sie eben Nahrung und Wein und Kleider und Schuhe herstellen und Häuser aufführen, und dann im Sommer größtenteils nackt und unbeschuht arbeiten, im Winter aber genügend eingehüllt und beschuht? Nähren aber werden sie sich wohl, indem sie aus Gerste Graupe und aus Weizen Mehl bereiten, erstere kochen und letztere backen, tüchtige Kuchen und Brode auf Binsen oder reine Blätter legen, sich selbst auf hingestreute Taxus-und Myrthen-Zweige hinstrecken und dann mit ihren Kindern in solchem Genusse schwelgen und Wein dazu trinken, mit Kränzen auf dem Haupte und Loblieder auf die Götter singend, indem sie vergnügt mit einander beisammen sind, ohne eine ihr Vermögen übersteigende Zahl von Kindern zu erzeugen, vor Armuth oder Krieg sich wohl hütend? – “

Platon. Der Staat (Kindle-Positionen1258-1327). Kindle-Version. 

 

Hier haben wir gewissermaßen eine Hippieversion, die eine solche Absurdität vor Augen führt.  Hernach baut Platon seinen schrecklich idealen Staat als Gegenbild.


Mittwoch, 16. März 2022

Klimaschau #102: Was macht der Wald mit dem Klima?

Modelle sind starke Vereinfachungen und keine politischen Entscheidungsvorlagen.- Die Waldbeiträge sind interessant, insbesondere die Stimulation des Niederschlags.

Dienstag, 15. März 2022

Russische Geschichte

Der Große Brockhaus von 1992 teilt die russische Geschichte in  Kapitel ein.

  1. Die Anfänge 

  2. Das Kiewer Reich

  3. Die Zeit der Teilfürstentümer (1169-1240)

  4. Die Mongolenherrschaft (1240-1480)

  5. Das Moskauer Reich (1480-1703)

  6. Die Petersburger Periode (1703-1917)

Wir können noch hinzufügen:

  1. Die Sowjetunion (1917-1990)

  2. Die Auflösung der Union und das Interregnum (1990-2000)

  3. Der Aufbau der Putin-Diktatur (1990-2021)

  4. Der große Überfall auf die Ukraine 

Die Anfänge liegen im Dunkel einer schriftlosen Kultur, aber sie begannen offenbar mit den skandinavischen Warägern.


Wie es so ging in Kiew

Die skandinavischen Waräger unterwarfen den südlichen Raum und betrieben bewaffneten Fernhandel bis nach Byzanz, alias Konstantinopel alias Ost-Rom. Die nordischen Krieger scheinen beeindruckt gewesen zu sein von der kulturellen Reife des griechischen Byzanz und öffneten sich dem orthodoxen Christentum, das auf diese Weise ins Kiewer Reich gelangte, wo sich auch ostslawische Einflüsse einstellten; die slawischen Stämme waren tributpflichtig. Der Kiewer Fürst Wladimir (978 1015) wollte die Schwester des byzantinischen Kaisers Basileios II. heiraten und ließ sich taufen; für die Untertanen bedeutete das Zwangsbekehrung.

Sonntag, 13. März 2022

phoenix tagesgespräch mit Johann Saathoff (SPD, Russland-Koordinator der...

Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe

Lady Macbeth versinkt in Wahnsinn und Tod, Macbeth läßt sich im Zweikampf besiegen und richten für seine Untaten, begangen aus Machtgier. 

Wie wird der verschlagene KGBler enden? Wir wollen das Beste hoffen. Die vielen Leben, die er zerstört und beschädigt hat, verlangen das Äußerste. Man sollte dabei auch seine Schönwetterhelfer Schröder und Merkel und ihre Appeasementparteien nicht ganz vergessen, dünkt mich. In schäbigen Nebenrollen waren auch Weidel, Chrupalla, Saathoff und Schwesig zu sehen.


Sonntag, 6. März 2022

Klimaschau #101: Wer hat an der Tornadostatistik herumgeschraubt?

+0,6 Grad pro CO2-Verdopplung - transient climate response (TCR) - bemerkenswert!

Freitag, 4. März 2022

Eine lange Vorgeschichte des Appeasements


Rinks und Lechts kann man leicht verwechseln, meinte Ernst Jandl. Das stimmt. Beide Seiten haben einen Hang zur großen Staatsmacht und auch zur Diktatur. Links ist eher international orientiert, Rechts national bzw. nationalistisch.

Dieser Tage ließen sich Wagenknecht und Weidel zur Moskauer Aggression gegen die Ukraine ähnlich vernehmen wie auch bereits vorher in ihrer Beschönigungshaltung zu Putins Politik.

Man muß sogar feststellen, daß in Deutschland seit den siebziger Jahren praktisch keine realistische Politik mehr gegenüber Moskau betrieben wurde. Helmut Schmidt ging lieber mit dem polnischen KP-Chef Gierek segeln als die Solidarnosz zu unterstützen.