Samstag, 24. Januar 2015

Churchill ausgeraucht






What a man! With sexy moustache! Emperor of France, Napo 3.

(Bild: Wiki.)





Die Höflichkeit könnte es nahelegen, diesen Mann nicht weiter zu beachten. Als der Pariser Operettenkaiser Napoleon III. Preußen 1870 den Krieg erklärte und so unfreiwillig den west- und süddeutschen Ländern zum Deutschen Reich verhalf, das alte Reich hatte Napoleon I. erobert und mit Soldatenstiefeln niedergetrampelt, da machte sich Disraeli im Londoner Parlament 1871 ein paar Gedanken. Die britische Herrschsucht hatte ein riesiges Kolonialreich erobert, und die zweitgrößte Kolonialmacht, Frankreich, war jetzt geschwächt. Die beiden zusammen hatten nach dem Krimkrieg der dritten großen und noch expansiven Imperialmacht Rußland verboten, mit einer Kriegsflotte durch die türkischen Meerengen zu fahren. Das rettete sie vor der Zerstörung durch die Japaner im russisch-japanischen Krieg 1905. Sie war also noch da, was England gar nicht amüsierte. Disraeli befürchtete jetzt eine Bedrohung durch Rußland in Persien, Afghanistan und Indien. England mußte alles und jede Patrone mit seiner Flotte transportieren, während die Russen die Eisenbahn benutzen konnten, die sie immer stärker strategisch ausbauten. Und so kam es mit den ungeliebten Franzosen zur herzlichen Verbindung, zur Entente cordiale. Wegen der türkischen Meerengen, gegen Rußland. Allerdings war Frankreich schon mit Rußland gegen Deutschland verbündet, die bisherige Unabhängigkeit Englands war für Deutschland wichtig, um den Feind im Westen und den Feind im Osten nicht zu sehr fürchten zu müssen. Mit dem Bündnisanschluß Londons an Paris und Petersburg war das deutsche Reich umzingelt, der Dreibund mit Wien und Rom doppelt wichtig geworden. Clark zu dieser neuen, von England herbeigeführten europäischen Polarisierung:


“Aber ohne die beiden Blöcke hätte der Krieg nie in dieser Form ausbrechen können.” (Clark, Schlafwandler, S. 172)
Sehr plausibel. Und ohne diese neue Allianz wäre auch der Nachfolgekrieg, WKII, so nicht zustandegekommen.
Um auf den Mann zurückzukommen, der am 24.1.1965 endlich starb, Winston Churchill, dessen strategischer Verstand so weit reichte wie die Länge seiner Zigarre, denn ohne Churchill und seine deutschfeindliche Haltung im Kabinett Asquith / Grey wäre die Mehrheit der Londoner Kabinettsminister möglicherweise der Kriegspolitik Greys nicht gefolgt. 

Churchill war ein wichtigtuerischer Narr, wie es die meisten Politiker sind. Man kann anmerken, daß er nicht der schlimmste Narr seiner Zeit und Zunft war.


Freitag, 23. Januar 2015

Früh gehauen ist schnell gewonnen, meinten Willy und Conrad







Willy eroberte dann mal 1066 in Hastings ein bißchen England

(Bild: Wiki./Bayeux)






Die Frühzeit des Menschen war von alltäglicher Gewalt bestimmt, von Krieg gegen Nachbargruppen und Binnenkampf um Rangplätze. Nur Ideologen wie Bachofen und Friedrich Engels konnten etwas anderes phantasieren. Wenn die Offiziere der “schwarzen Hand” 1903 das serbische Königspaar bestialisch ermordeten, so war das nichts anderes als der Vorschein einer langen Tradition. Überall hatte der Adel das Kriegshandwerk gepflegt und machte damit Karrieren wie Hugo Capet (Kapetinger) oder William the Conquerer (zutreffender William the Bastard genannt). Er etablierte sich kriegerisch als Herrenschicht, und aus dem Hochadel schwangen sich die brutalsten zu absoluten Monarchen auf. Dieses kriegerische Männerideal herrschte auch noch um 1900, wenn auch schon in Konkurrenz zum Bürgertum, das das unkriegerische Gewerbe pflegte. Aber das Bürgertum ahmte in allem den Adel nach, und deswegen war der Republikaner Poincare nicht weniger kriegerisch als der adelige österreichische Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf, der so lange bei jeder Gelegenheit einen Präventivkrieg forderte, bis ihn der alte Kaiser Franz Joseph Ende 1911 absetzte. 

Conrads schärfster Gegner war der Thronfolger Franz Ferdinand, der überhaupt Österreichs Balkanpolitik reformieren wollte. Und gerade ihm galt das Attentat der serbischen Nationalisten. Daß es glückte, kam durch eine kaum glaubliche Kette von Zufällen zustande bis hin zu den beiden Schüssen des jungen Gavrilo Princips, der nur auf den Erzherzog zielte und sowohl diesen als auch dessen Frau tödlich traf, weil rein zufällig Hauptschlagadern getroffen wurden. Gräßlicher kann der Fatalismus der Geschichte nicht ausfallen, wenn auch das Attentat nur der Anlaß, nicht der Grund war für den Krieg, der im August 1914 begann.


Donnerstag, 22. Januar 2015

Kontinuitäten in Serbien und Rußland








Zar Nikolaus II. im Juli 1914, im Juli 1918 mit der gesamten Familie und einschließlich der Dienstboten von Lenins Leuten erschossen.
 
(Bild: Wiki.)




Die kriegerische Gesinnung in Serbien um 1900 verwundert kaum, es war lange türkisch besetzt und war in jeder Beziehung rückständig. Noch im letzten Balkankrieg nach dem Zerfall Jugoslawiens zeigten die Serben eine bemerkenswerte Kontinuität auch in der Durchführung von Massakern. Die auch stets von den Russen gedeckt bzw. verschwiegen wurden. 
Belgrad ließ sich gegen Österreich-Ungarn verwenden, ja, für eine russische Vormacht auf dem gesamten Balkan im Rahmen der “Panslawismus-Ideologie”. Rußland war seit langem expansiv und eroberte seine Nachbarn bis Wladiwostok. Die Schwäche der Türkei erlaubte Südwestphantasien. Insbesondere gab es auch Pläne für die Eroberung der türkischen Meerengen. Es kann also nicht verwundern, daß das unterentwickelte Petersburg stets an seine Armee dachte. So, wie heute auch. Zum Neujahr 1914 brachte die Militärzeitung des Generalstabs “Raswetschik” einen viel beachteten Artikel:

“Doch nicht nur die Truppe, das ganze russische Volk muß daran gewöhnt werden, daß wir uns zum Vernichtungskampf gegen die Deutschen rüsten und daß die deutschen Reiche (sic!) vernichtet werden müssen, auch wenn wir dabei Hunderttausende von Leben verlieren müssen.” 
(Clark, Schlafwandler, S. 539)

Mittwoch, 21. Januar 2015

Ein Feind findet sich immer





Der Außenminister Nikolaus' II, Sergej Sasonow 


(Bild: Wiki.)




Den Befehl zur Generalmobilmachung vom 29.7.14 nahm der Zar Stunden später zurück, um ihn sich von Außenminister Sergej Sasonow erneut abringen zu lassen.

“Die russische Generalmobilmachung zählte zu den schwerwiegendsten Entscheidungen während der Julikrise. Es war bislang die einzige Generalmobilmachung. Sie kam zu einem Zeitpunkt, als die deutsche Regierung noch nicht einmal den Status der drohenden Kriegsgefahr ausgerufen hatte, das deutsche Pendant zur russischen Kriegsvorbereitungsperiode, die seit dem 26.7. in Kraft war. … In dem Orangebuch, das die russische Regierung nach Kriegsausbruch veröffentlichte, um die eigenen Aktionen während der Krise zu rechtfertigen, datierten die Herausgeber den österreichischen Befehl zur Generalmobilmachung drei Tage zurück, so daß der russische Schritt als reine Reaktion auf andere Entwicklungen erschien.” 
(Clark, Schlafwandler, S. 651)

Der Zar war zwar russischer Nationalist und Imperialist, aber doch auch ein Vetter Wilhelms II., mit dem er eine Telegramm-Korrespondenz per “Nicky” und Willy” führte.
Zar Nikolaus hatte zwar den Militärgegner Kokowzow aufgrund einer Intrige im Januar 1914 entlassen, aber das Finanzministerium zunächst Pjotr Durnowo angeboten, der jedoch ablehnte. Durnowo war ein Gegner eines Balkan-Engagements und hätte mutmaßlich Sasonows und Agrarminister Alexander Kriwoscheins Spiel durchkreuzen können.
So wurde ein völlig unbedeutender Balkankonflikt, einer von tausenden im Laufe der Jahrhunderte, zu einem europäischen Krieg.
Den aber wollten eigentlich nur die französischen Nationalisten, die bis heute am Napoleon-Syndrom leiden. Und ohne das andauernde Anstacheln aus Paris hätte Rußland den Konflikt lokal gehalten, beschränkt auf Serbien, Bosnien und die anderen Balkan-Zwergfürstentümer. Es sollte nicht sein, denn die Imperialisten, allen voran Großbritannien und Frankreich, sahen immer irgendwo eine Bedrohung ihrer Einflußsphären. Vor allem Rußland bedrohte die britischen Herrschaftsgrenzen in Persien und Afghanistan. Der Imperialist Grey sah die britischen Truppen nicht nur in Indien gegenüber der ausgedehnten Landmacht Rußland in der Defensive. Daher das Interesse, mit Petersburg eine Annäherung in der Triple Entente (F, R, GB) zu suchen. Die heimischen Grey-Gegner John Morley und John Simon u.a. verlangten kategorisch ein Interventionsverbot. Der sehr kriegerisch gestimmte 1. Seelord Churchill schrieb später, “mindestens drei Viertel der Kabinettsmitglieder … seien entschlossen gewesen, sich nicht in ‘einen europäischen Streit’ hineinziehen zu lassen”. (Clark, S. 693).
Und ohne Großbritannien wäre der WKI ausgefallen. Doch die Winkelzüge Greys und Churchills und auch die Möglichkeit des Machtverlustes der Regierung im Zusammenhang mit der Irlandfrage bestärkten Paris und Petersburg in ihrer Kriegspolitik.
Trotzdem war der  große Krieg prinzipiell unwahrscheinlich, wenn nicht die antideutsche Seilschaft Arthur Nicolson, Charles Hardinge und Francis “The Bull” Bertie jahrelange Vorarbeit geleistet hätten, Bertie als Botschafter in Paris. Und wenn es nicht eine archaische Grundlage gegeben hätte:
“Als Bertie von der Gefahr sprach, daß die Deutschen ‘uns ins Wasser schubsen und die Sachen wegnehmen’ könnten, wählte er für das internationale System das Bild einer dörflichen Spielwiese, auf der sich männliche Halbwüchsige austobten.” (Clark, S. 465).
So ein geistig Halbwüchsiger war auch der Großonkel Christopher Clarks, der sich 1916 als Viehzüchter im fernen Australien zum freiwilligen Kriegsdienst in Frankreich meldete. Immerhin wußte Onkel Jim, wer der Feind war. Die kampfbereiten Kosaken im Altai wußten es nicht.
“Aber wer war der Feind? Das wußte keiner. Das Telegramm zur Mobilmachung machte dazu keine Angaben. … Anfangs stellten sich alle vor, daß es gegen China in den Krieg gehen mußte: ‘Rußland war in der Mongolei zu weit gegangen, und China hatte den Krieg erklärt.’” (Clark, S. 708)
Aber richtige Männer sind auch ohne Feind kampfbereit. Und die arrivierten Gentlemen in ihrem adlig-kriegerischen Geist mit der Kampfmatrix im Kopf sorgen stets dafür, daß der Krieger noch rechtzeitig erfährt, wer der Feind ist.









Dienstag, 20. Januar 2015

Abends Befehl zur Generalmobilmachung


“ Am Abend des 29.7.14 leitete der russische Generalstabschef den Ukas für die Generalmobilmachung an General Sergej Doborolski weiter. Als Leiter der Mobilmachung war es Doborolskis Aufgabe, die Unterschriften der Minister einzuholen, ohne die der Befehl nicht in Kraft treten konnte. 
Später erinnerte sich der General an seine Besuche im Kriegs-, im Marine- und im Innenministerium. Es herrschte eine düstere Stimmung. Der einst so offen kriegerisch aufgetretene Suchomlinow war in den letzten Tagen sehr wortkarg geworden. Womöglich bereute er inzwischen, wie Doborolski mutmaßte, den hetzerischen Artikel, den er einige Monate zuvor in den Birschewija Wedomosti (Börsennachrichten) lanciert und in dem es geheißen hatte, Rußland sei ‘bereit zum Krieg’. 
Der Marineminister war beim Anblick des Ukas regelrecht schockiert: ‘Wie bitte, Krieg mit Deutschland? Unsere Flotte ist auf keinen Fall imstande, allein der deutschen Flotte standzuhalten.’ “ Clark, Schlafwandler, S. 647