Montag, 17. Mai 2021

Neue Jungmännergruppen




Die Entwicklung der Klosterwesens erfolgte in vier Etappen. Die Benediktiner pflegten den mönchischen Klausurstil und besaßen riesige Ländereien mit deren Abgaben. 


Die Cluniazenser pflegten ebenfalls die Klausur und waren Großgrundbesitzer, bildeten aber bereits ein Klosternetzwerk. 


Die Zisterzienser wuchsen unter Bernhard von Clairvaux aus dem Cluny-Verbund heraus und expandierten mit einer expliziten Filiationspolitik europaweit. Über 500 Gründungen erfolgten zwischen dem burgundischen Mutterhaus Citeaux und  den Töchtern Tutero in Norwegen und Falkenau/Kärkna in Estland.  


Noch sehr viel mobiler präsentierten sich die neuen Bettelorden, die Franziskaner und Dominikaner, die zunächst ihre Mitglieder zur Besitzlosigkeit verpflichteten; die Franziskaner brachten es auf mehr als 1400 Klöster und verschickten auch ihre Mönche in Neugründungen. 


Damit werden die Grenzen des lateinischen Europas deutlich, die Ostpolen und Ungarn kamen noch dazu. Die Militärmönche der Kreuzritterorden trugen ihr Teil bei zur gens latina, zur “lateinischen Rasse”. 


Vgl.Bartlett, a.a.O., S. 309ff. 

Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 313

 

Sonntag, 16. Mai 2021

Er will Häuptling sein

<<“Wir befehlen”, schrieb Papst Honorius III. im Jahr 1222, “daß diese Russen dazu gezwungen werden, die Riten der Lateiner zu beachten, wo sie bisher denen der Griechen folgten und sich damit vom Haupt, nämlich der römischen Kirche, getrennt hatten”.>>*


Ein Befehl wie Donnerhall. Auch die griechischen Christen aus Byzanz missionierten, namentlich die ‘Slawenapostel’ Kyrillos und Methodios, und so trafen sich die Lateiner und die orthodoxen Griechen im Osten, und trafen da auch handgreiflich aufeinander, denn beide Seiten waren überzeugt, daß es nur eine Wahrheit gäbe, nämlich ihre. So etwa wie heute Professor Drosten an seine alleinige Wahrheit glaubt, so glaubten die Zisterzienser und Schwertbrüder - direkt dem Papst untertan - an ihre alleinige Wahrheit. Das erinnert - hundert intellektuelle Stufen darunter - an das Schisma der Schiiten und Sunniten. Bei diesem Schisma ging es nicht um theologische Fragen, sondern um die Herrschaftsnachfolge des Religionsstifters, aber vergleichbar ist es doch. 

Jede Lehre differenziert sich auf irgendeine Weise weiter und kann im Laufe der Jahrhunderte die absonderlichsten Formen annehmen; wer hätte sich zur Zeit Bernhards von Clairvaux träumen lassen, daß wir heute einen CO2-Glauben beobachten können? 

Religionen können ja sehr possierlich sein, aber sie haben auch den Aberglauben in die Welt diesseits des Sirius gebracht, es gäbe nur eine, eine einzige, ihre Wahrheit. Das ist ein abstruses, Unfrieden stiftendes Beobachtungsschema.  


Samstag, 15. Mai 2021

Bart ab

>>Im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts, als päpstliche Sendschreiben jedes Jahr zu Hunderten die Kanzlei des Papstes verließen, als zum Laterankonzil des Jahres 1215 mehr als 400 Bischöfe nach Rom kamen, als päpstliche Legaten als Regenten in England herrschten und den Versuch unternahmen, in Livland einen Kirchenstaat zu errichten, und als Vertreter des Papstes sogar Söldnerarmeen gegen den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ins Feld führten - da konnte man durchaus glauben, daß das Papsttum dem vollmundigen Anspruch Gregors VII. gerecht geworden war: “Sie sollen zu spüren bekommen, wie groß die Macht dieses Stuhles ist.”<<


In der Tat formte er das Papstamt zu einer totalitären Bürokratie um, soweit das bei den begrenzten technischen Möglichkeiten der Zeit möglich war. Und bis heute herrscht der römische Monarch absolut. Bis heute herrscht der von Gregor VII. durchgeboxte Priesterzölibat in der katholischen Kirche. Wer kennte einen Bischof mit Bart? Das ebenfalls war ihm ein Anliegen, bartlos soll der Priester sein, auch in Sardinien setzte er das durch wie auch die völlige Einheitlichkeit der Liturgie. Ein Kirchenvolk, ein Kirchenreich, ein Papst war Gregors Panier. Ermöglicht wurde diese Politik durch eine Allianz mit den fränkischen Adelsfamilien im Norden, so John Mundy; ein Normanne - der berüchtigte Robert Guiskard, sein Vasall, - befreite ihn 1084 aus der Engelsburg, wohin er sich vor dem Gegenpapst Clemens III. geflüchtet hatte. Bei der Gelegenheit plünderten die Normannen gleich Rom und brannten es nieder. 

Papst Paul V. sprach Gregor VII. 1606 heilig.


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 302


Freitag, 14. Mai 2021

Französisch in Irland, Deutsch in Böhmen

“Die Bevölkerung mittelalterlicher Städte bestand zum größten Teil aus Einwanderern. Das war zwar überall so, erhielt aber in den Grenzregionen dadurch besondere Bedeutung, daß sich die Stadtbewohner, wenigstens ein beträchtlicher Teil von ihnen, ethnisch von der Landbevölkerung unterschieden. Einwanderer, die von weither kamen, hatten oft eine Stadt als Reiseziel; und in Gebieten wie Osteuropa oder den keltischen Ländern wurde der Gegensatz zwischen Stadt und Land auch noch von ethnischen Widerständen begleitet oder aufgeheizt, denn viele städtische Siedlungen wurden dort überwiegend oder ausschließlich von Immigranten bewohnt. … Auch die Städte auf den britischen Inseln hatten einen ähnlichen sprachlichen Sonderstatus. Dort wurde viel mehr Französisch gesprochen als auf dem umliegenden Lande. In der Zeit nach der normannischen Eroberung hatten sich französische Siedler in vielen städtischen Zentren niedergelassen … und die Entwicklungen der nachfolgenden Jahrhunderte bestärkten die gallozentrische Ausrichtung der Kultur noch weiter. … Auch in Wales und Irland waren die Städte oft - wie jene im polnischen Galizien oder in Livland - Sprachinseln.”* 


Offenbar war die kommunikative Vernetzung recht gering und konnte mit einer einfachen Mehrsprachigkeit nach Stil des heutigen Flughafenenglischs koexistieren. So wie noch im 18. Jahrhundert Französisch die höfische und diplomatische Sprache war. Die mittelalterlichen Landgemeinden rekrutierten sich autochthon und führten ein isoliertes Leben. In den Städten aber nahm die Zahl der interethnischen Kontakte zu, Interaktionen und Kommunikationen im Nahbereich dürften aber steigend zu Reibungen geführt haben, wie sie schon in der Dalimil-Reimchronik Ausdruck fanden für die tschechische Brautwahl Herzog Ulrichs im 11. Jahrhundert: 

“Einem jeglichen liegt seine Zunge sehr am Herzen;

Darum wird eine Fremde niemals meine Frau.

Sie hielte meinen Leuten nicht die Treue.

Fremdes Gesinde würde eine Fremde haben,

Und meinen Kindern würde sie Deutsch beibringen

Und deren Gewohnheiten umkehren.

So würde schon bei der Zunge

Große Zwietracht entstehen,

Und für das Land wäre das ein rechtes Verderben.”  


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 280ff.







Donnerstag, 13. Mai 2021

So ist es, meistens

“So ist die menschliche Natur, daß jeder, egal aus welchem Land er kommt, sein eigenes Volk mehr liebt als ein fremdes.” Cosma von Prag, Chronica Boemorum 2.23*

Die ethnischen Probleme gab es auch in der mittelalterlichen Kirche, speziell an den Rändern, und vor allem dort, wo fremde Eroberer ins Land kamen, wie die Engländer (Anglonormannen) in Irland. In deren Schatten agierten auch die Mönchsorden als universalistische Organisationen. In ihnen wirkten die gleichen Kräfte, ob Zisterzienser, Dominikaner, Franziskaner oder Augustiner. Die Zisterzienser waren die internationalsten, von der Abtei Citeaux aus bildeten sie europaweit Töchterabteien. Vierunddreißig allein in Irland, davon nur zehn anglonormannische Gründungen. Waren die irischen Zisterzienser besonders eigenwillig? Supervisionen aus Citeaux brachten sie keinerlei Willkommenskultur entgegen. Da mußte ein Anglonormanne ran, Stephan von Lexington, ausgebildet in Paris. Er griff durch, setzte englische Äbte ein und schloß auch zwei Klostertöchter. An Bernhard von Clairvaux berichtete er:


“Wir haben deshalb den Iren aufgetragen, sie sollten, wenn sie wünschten, daß auch in Zukunft noch irgendeiner aus ihrem Volk in den Orden aufgenommen werde, die Betreffenden nach Paris, Oxford oder andere berühmte Städte schicken, wo sie sich im Schreiben und in der Redekunst üben und auch anständiges Benehmen erlernen könnten. Wir haben ihnen deutlich gemacht, daß der Orden nicht beabsichtige, irgendeine Nation auszuschließen, sondern nur die Ungeeigneten, Unnützen und all jene, die mit dem angemessenen menschlichen Verhalten auf Kriegsfuß stehen.”


Und Französisch müßten sie natürlich können, wie Stephan von Lexington, Abt in Stanley (Durham).


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 269ff.