“ Adieu, Kameraden, ich bin Gutmensch. Nicht mehr unter Rechten: Der Konservativismus hat sich selbst verraten. Er ist zu einer Ideologie der Großindustrie und der Kriegsverkäufer …” 5.9.11
Lorenz Jäger verabschiedet sich hier von einem Phänomen, dem er sich zurechnete, weil er einer der wenigen Nichtlinken im FAZ-Feuilleton ist oder war.
Das Phänomen nennt er KONSERVATIVISMUS, aber das war nie ein scharfer Begriff. So wenig scharf wie alle anderen abstrakten politischen Begriffe es sind. Von ihnen hält man besser Abstand. Das gilt besonders für Begriffssysteme aller Art, Theorien und Ideologien. Alle taugen nur für einen bestimmten Bereich, wenn sie nicht geradezu destruktiv sind wie der Marxismus. Alle Einsichten und Betrachtungen unterliegen einem Zeitverständnis. Nur fundamentale, genetisch eingeschriebene Sachverhalte dürften für lange Zeiträume gelten:
Wettbewerb macht Säugetiere munter, die meisten jedenfalls.
Die Achtung des Individuums jenseits aller Zugehörigkeiten zu Gruppen schafft begabten Individuen den Spielraum zur Mehrung von Wissen (Wissenschaftler) und Wohlstand (Unternehmer).
Politiker neigen, in geschichtlicher Perspektive betrachtet, immer wieder zur Zerstörung des Wohlstands der Bürger, weswegen eine konstruktive Führerauswahl ebenfalls grundlegend für das Gedeihen von Gesellschaften ist.
“Konstruktiv” soll hier heißen, daß sie versprechen, sich von ihrer Häuptlingsrolle nicht verleiten zu lassen, auch nicht auf Drängen unterwerfungsbereiter Stammes- und Großgruppenmitglieder, die Zivilgesellschaft zu gängeln oder sogar als Besitzstand zu regieren.
Das Subventionswesen kann als politischer Mißbrauch in diesem Sinne gelten, ebenso die dominant staatliche Verfassung des Wissenschaftsbetriebs.
Menschliches Verhalten ändert sich über die Jahrtausende wenig, hier könnte man von “konservativer” Genetik sprechen, dazu gehört auch die Fixierung vieler Menschen auf Häuptlinge und politische Führer.
Individualismus und Wissenschaft bergen dagegen ein hohes Neuerungspotential. Daraus entstanden im Erfolgsmodell der europäischen Geschichte Wohlstand und Wissenszuwachs. Die Neuerungsneigung in Technik und Wirtschaft kann man also nur grundsätzlich begrüßen, eine allgemeine Neuerungssucht (“Reformeifer”, “Modernisierung”) oder eine allgemeine Neuerungsablehnung (“Konservativismus”) erscheinen nicht sinnvoll.
Die ‘Expedition Mensch’ zieht schon länger durch die Zeit. Der alte Adam trägt neue Kleider, lebt besser und länger, bleibt aber überwiegend der alte. Jenseits aller Theorien und Ideologien.
Donnerstag, 6. Oktober 2011
Mittwoch, 5. Oktober 2011
Ende gut - alles gut

Hier sehen wir verzweifelte Studenten, 1967, dem Hungertode nahe, die eine Polizeikette durchbrechen, um zu einem Aldi-Markt vorzustoßen, der preisreduziertes Graubrot anbietet - vorneweg ein Rudi D. und ein Gaston S.
Mit Erleichterung nimmt man zur Kenntnis, daß Gaston dieser Tage siebzig wird, gutgenährt in seinem ererbten Palazzo in Venedig lebend.
Manchmal ist das Leben eben doch gerecht.
Dienstag, 4. Oktober 2011
Putin liefert gern

Fundament gelegt für den Exportstrom nach Deutschland - das KKW Kaliningrad soll 2016 billigen Strom erzeugen, den man den Deutschen teuer verkaufen kann, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
(Modell-Bild: http://www.kaliningrad.aktuell.ru/ )
- Der griechische Soziologe Michael Kelpanides plädiert für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und zur Wiedereinführung der Drachme mit einer Abwertung von 40%. Das werde insbesondere dem Tourismus durch Verbilligung helfen, aber auch Exportgütern aller Art.
Man kann dem nur zustimmen, der Sozialist Papandreou hat bisher nur versucht, über die Steuerschraube mehr Geld einzunehmen, an den Ausgaben hat er noch nichts getan und den aufgeblähten öffentlichen Dienst schont er weiterhin. Das ist kein Rezept zur wirtschaftlichen Stärkung und zur Senkung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit (unter 25 Jahren) von ca. 43% (Eurostat).
Um die Beschäftigung müssen sich alle westlichen Industrieländer sorgen, nicht um den öffentlichen Dienst. Nokia schließt das vor drei Jahren von Bochum nach Rumänien gewanderte Montagewerk für einfache Funktelefone; der Absatz ging stark zurück zugunsten teurerer Computertelefone. Hier liegen Apple und Samsung vorne, was vor allem den Südchinesen nützt, die diese "Smartphones" montieren.
In den traditionellen Industrieländern muß man alle Möglichkeiten nutzen, die Arbeitskosten zu entlasten. Dazu gehört auch die billige Energieversorgung.
Deutschland tut hier das Gegenteil mit einer absurden Verteuerung durch die Subventionierung der unzuverlässigen Windkraft und der extrem teuren Gutwetter-Solarbretter.
Anders Argentinien. Hier wurde das dritte Kernkraftwerk ATUCHA II mit 745 Megawatt zuverlässiger und billiger Energieerzeugung ans Netz genommen. Brasilien und Mexiko nutzen ebenfalls Kernkraft.
- UNDEREXPOSED
What if Radiation Is Actually Good for You?
Das ist der Titel eines 2005 in den USA erschienenen Buches von Ed Hiserodt, ISBN 0-930073-
35-5. Erfährt man hier die ganze Wahrheit über Radioaktivität? Nein, wie überhaupt, muss man
mehr als ein Buch lesen, die Sache von verschiedenen Seiten betrachten, um sich eine zutreffende
Vorstellung zu machen. Das Buch von Ed Hiserodt ist auf dem Gebiet der Radioaktivität nur ein
Beitrag, aber ein sehr nützlicher.
Die Berichterstattung der Medien ist voller Unlogik. Strahlendosen weit unter dem, was von Natur
aus vorkommt, werden als lebensgefährlich hingestellt. Aber auch dort, wo gar keine erhöhte
Strahlenintensität vorhanden ist, erkranken angeblich die Menschen reihenweise an Krebs, Kinder
bekommen Leukämie, Mädchen werden gar nicht erst geboren. Radioaktivität wirkt selbst da, wo
sie gar nicht ist? Wirkungen ohne Ursache? So war das bei den Hexen. Dass sie Menschen und
Tieren krank machen, galt als erwiesen, nur konnte keiner erklären, wie sie das schaffen.
Im Buch von Ed Hiserodt ist keine Unlogik zu finden. Alles passt zusammen. Sein Thema
sind Strahlenwirkungen unter einigen 100 Millirem. Dazu hat er eine Unmenge Daten aus
wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengestellt, hauptsächlich über die Wirkungen auf
Mäuse und Menschen.
Der normale Strahlenbiologe wird sagen: Unter 100 Millirem findet man keine biologischen
Wirkungen, und unter 250 Millirem keine Gesundheitsschäden. Der heute ebenso normale
Panikmacher bestreitet dies; Strahlung würde immer wirken, auch wenn man gar keine nachweisen
kann.
Ed Hiserodt widerspricht beiden Vorstellungen. Strahlung im Bereich von 100 Millirem würde sich
positiv auf die Gesundheit auswirken. Es gäbe da weniger Krebstote, Mäuse lebten länger, Arbeiter
in Kernkraftwerken wären gesünder. Das zeigt er anhand vieler Diagramme und Tabellen.
Ist das so, oder sind das zufallsbedingte statistische Abweichungen? Sollte sich der Verfasser mit
seiner Ansicht irren, wird das Buch damit nicht entwertet. Er argumentiert gegen die Strahlenangst,
welche unzweifelhaft mehr Menschen krank gemacht hat als die Radioaktivität selbst. Seine Kritik
an dem Unsinn, welchen die Kernkraftgegner verbreiten, ist nur zu berechtigt. Wenn er sich darüber
aufregt, müssen wir allerdings sagen, in Deutschland ist es schlimmer.
Das Konzept des Strahlenschutzes beruht weltweit auf der LNT-Annahme (linear no threshold).
Um vorsichtig zu sein, kann man diese Annahme einer der Dosis proportionalen Wirkung bis
Null herunter akzeptieren; Ed Hiserodt lehnt sie allerdings vollständig ab. Man muss ihm aber
zustimmen: Bewiesen ist sie nicht, und auf ihrer Grundlage Krebsfälle und Mutationen zu
berechnen ist Unsinn.
Fazit: Ein verständlich, unterhaltsam und humorvoll geschriebenes Buch, das zum Nachdenken
über die heutige Strahlenhysterie anregt.
Hannover, den 02.10.2011, Dr. Hermann Hinsch, Strahlenschutzexperte, schrieb das Buch "Radioaktivität. Wissenschaft und Aberglaube".
Montag, 3. Oktober 2011
Michel, lies mal Michels
Bei der Herstellung des Volonté générale (Einheitswillen) müssen alle Opfer bringen.
Wem fiele da nicht Robert Michels ein und sein ehernes Gesetz der Oligarchie, wie er es in seinem Werk zur Parteiensoziologie darlegte: Die Bonzen, zuerst gewählt, erlangen durch ihre Stäbe, die Parteiorganisationsmaschine und Hinterzimmerkommissionen die Herrschaft über die einfachen Parteimitglieder. So festigen sie ihre Macht und stellen die Einheit der Partei her. Wohlwollend, oder weniger wohlwollend. Müntefering soll seine Abgeordneten regelmäßig angewiesen haben, sich daran zu erinnern, wem sie ihr Mandat verdankten. Kanzleramtsminister Pofalla soll bei der Herstellung der Einheit der Fraktion zur Euro-Abstimmung seinem Abgeordneten Bosbach gesagt haben, er könne dessen “Fresse nicht mehr sehen” (web.de-Nachrichten). Die Sozialistische Einheitspartei SED schließlich steckte schon bei Verdacht uneinheitlicher Gedanken ihre Mitglieder ins Gefängnis.
EINHEIT ist nicht nur der Parteienoligarchie wichtig, auch der jeweiligen Regierungsoligarchie, ob gewählt oder nicht. Der Einheitsgedanke sichert ihre Macht über die Beherrschten. Nur ein Dorf- und Naturtrottel wie Rousseau kann annehmen, daß ein Volonté générale der Freiheit diene. Die Freiheit der Bürger bedroht die Macht der Oligarchien, insbesondere in Demokratien, weswegen es der politischen Erziehung bedarf, damit die Bürger richtig, also oligarchiefreundlich wählen. Vielfalt erschwert den Oligarchen den Überblick, sie fühlen sich dann unwohl. Vielfalt bedeutet aber, daß die Bürger ihre Angelegenheiten individuell regeln können, jeder nach seiner Fasson. Diesen Spielraum wollen die Partei- und Regierungsoligarchen aber als Quelle für ihre Machtunsicherheit möglichst gering halten. Deswegen haben sie u.a. den 4-Jahres-Blankoscheck eingeführt, damit die Bürger ihnen wenigstens in dieser Zeit möglichst wenig dreinreden können. Wirklich einheitsstiftend. Und machterhaltend. Mirabeau übrigens fand die vielen Deutschländer seiner Zeit ganz prima - mehr Freiheit sei in den Deutschländern immer nur eine Tagesreise entfernt - was in x verboten sei, sei in y erlaubt.
EINHEIT ist nicht nur der Parteienoligarchie wichtig, auch der jeweiligen Regierungsoligarchie, ob gewählt oder nicht. Der Einheitsgedanke sichert ihre Macht über die Beherrschten. Nur ein Dorf- und Naturtrottel wie Rousseau kann annehmen, daß ein Volonté générale der Freiheit diene. Die Freiheit der Bürger bedroht die Macht der Oligarchien, insbesondere in Demokratien, weswegen es der politischen Erziehung bedarf, damit die Bürger richtig, also oligarchiefreundlich wählen. Vielfalt erschwert den Oligarchen den Überblick, sie fühlen sich dann unwohl. Vielfalt bedeutet aber, daß die Bürger ihre Angelegenheiten individuell regeln können, jeder nach seiner Fasson. Diesen Spielraum wollen die Partei- und Regierungsoligarchen aber als Quelle für ihre Machtunsicherheit möglichst gering halten. Deswegen haben sie u.a. den 4-Jahres-Blankoscheck eingeführt, damit die Bürger ihnen wenigstens in dieser Zeit möglichst wenig dreinreden können. Wirklich einheitsstiftend. Und machterhaltend. Mirabeau übrigens fand die vielen Deutschländer seiner Zeit ganz prima - mehr Freiheit sei in den Deutschländern immer nur eine Tagesreise entfernt - was in x verboten sei, sei in y erlaubt.
Sonntag, 2. Oktober 2011
Vier Etappen sollt ihr sein
Interessanter Lebenslauf, interessantes Buch, keine Rousseau-Schwafelei
Die vierte Rousseau’sche Entwicklungsphase im EMIL umfaßt die Jugendjahre von 15 bis 20. Bei den vorhergehenden Etappen besteht der Hauptmangel darin, daß R. die konkreten Kenntnisse fehlen, die er bei der Erziehung seiner eigenen Kinder, die er nach der Geburt sofort aussetzte, hätte gewinnen können. Dazu zählt auch, daß Kinder sich so unterscheiden, wie es Erwachsene auch tun, sie sind Individualitäten, denen man gerecht werden muß, will man das Kind erfolgreich nach seinen eigenen Systembedingungen wachsen lassen. Was für das eine Kind gut ist, kann für ein anderes schlecht sein. Die Erzieher brauchen kein aufgeblasenes Papierprogramm wie den EMIL, sie brauchen konkrete Beobachtung und Einfühlung, um das individuelle Kind differentiell zu erfassen.
Das gelingt nicht, wenn man bedrucktes Papier im Kopf hat wie R.
Bei der vierten Erziehungsetappe nun begreift Rousseau praktisch nichts mehr. Sie steht unter dem Ziel der Eingliederung in die Gemeinschaft, womit er eigentlich die Gesellschaft meint. Mitglied von Gemeinschaften ist das Kind von Beginn an, seine Beziehungen wachsen von der Mutter, die es schon während der Schwangerschaft kennenlernt, in die Familie, zu den Großeltern, Nachbarn, Kameraden und Spielgefährten, zu vielen Personen des Nahbereichs einer Siedlung.
Mit Beginn einer Lehre, zu Rousseaus Zeiten also mit etwa 12 Jahren, treten fremde Personen auf, denen es sich in ungewohnt hohem Maße anpassen muß, oft verbunden mit einem Wechsel an einen fremden Ort, vielfach angehängt an die fremde Familie des Lehrherrn (vgl. Karl Ph. Moritz, Anton Reiser). Die Gestaltung dieses Hinausgehens in die Gesellschaft, die nach anderen, abstrakteren und allgemeineren Regeln funktioniert als die Gemeinschaft, stellt erhebliche Ansprüche an den jungen Menschen. Dieses Problem erkennt R. gar nicht, weil er nicht zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft unterscheidet (vgl. Ferd. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft; Max Weber, Soziologische Grundbegriffe).
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