Samstag, 31. Januar 2015

Konrad Lorenz hat die Politik nicht begriffen






Auch Bücher werden in der Sonne braun, bekommen aber keinen Hautkrebs.





“Die Aggression … ist ein Instinkt wie jeder andere und unter natürlichen Bedingungen auch ebenso lebens- und arterhaltend. Beim Menschen, der durch eigenes Schaffen seine Lebensbedingungen allzu schnell verändert hat, zeitigt der Aggressionstrieb oft verderbliche Wirkungen …
Das Wirkungsgefüge der triebmäßigen und der kulturell erworbenen Verhaltensweisen, die das Gesellschaftsleben des Menschen ausmachen, (ist) so ziemlich das komplizierteste System, das wir auf dieser Erde kennen.”
Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse, Zur Naturgeschichte der Aggression, 1963 (71)

“Wenn die Menschheit … sich, mit Atomwaffen in der Hand, in sozialer Hinsicht um nichts vernünftiger zu verhalten weiß, als irgendeine Tierart, so liegt dies zum großen Teil an der hochmütigen Überbewertung des eigenen Verhaltens …” Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse
Ohne das stammesgeschichtliche Erbe des Aggressionstriebes läßt sich kein Krieg führen, aber der Krieg ist ein politisches Phänomen, wie schon Clausewitz herausgearbeitet hat. Politiker entscheiden sich für den Krieg, und ihre Entscheidungsgründe sind politisch beeinflußbar. Daher sind heute Politiker des Westens nach den großen Kriegen grundsätzlich gegen Krieg eingestellt, doch gilt dies für den größeren Teil der Welt nicht. Trotzdem gab es bisher keinen Nuklearkrieg, weil das Risiko für die entscheidenden Politiker zu groß geworden ist.

Im letzten Einunddreißigjährigen Krieg 14-45 verloren Millionen Soldaten ihr Leben, aber nur 3 Politiker: Nikolaus II., Mussolini und Hitler. Nordkoreas Kims hätten längst den Süden überfallen, wenn ihnen nicht vor Augen stünde, daß dies für sie persönlich tödlich wäre.

Das ist der große Unterschied zu 1914. Das meiste Polit-Pack überlebte sehr gemütlich, verzehrte die üppige Pension und hackte Holz. Hätten Poincare, Sasonow und Grey die Todesdrohung vor Augen gehabt, wie dies heute der Fall wäre, alles hätte eine andere Entwicklung genommen. 
Dies ist auch der einzige Grund, warum sich Putin, trotz kriegerischer Entschlossenheit, zügelt.










Freitag, 30. Januar 2015

In Tsingtau (Kiaotschou) mag man die Deutschen heute noch









Die zerfallende chinesische Macht hat die Imperialisten angelockt, allen voran Großbritannien und Rußland; wenig später wird das weitere Vordringen Rußlands in der Mandschurei und nach Nordkorea zum japanisch-russischen Krieg führen (1905). Der französische Chauvinist Henri Meyer hat hier 1898 Wilhelm II. als den Bösen herausgestellt, doch spielte Deutschland in China (und auch anderswo) nur eine Zwergenrolle; 1897 hatte Deutschland in Absprache mit Rußland ein Zipfelchen China gepachtet, Kiaotschou, nicht ganz ohne Zwang. 
(Karikatur aus Clark, Schlafwandler, S. 229)

      Drei-drei-drei - bei Issus Keilerei. Mit solchen Sprüchen wuchs man in Eton, am Lycee Louis-le-Grand (sic), am Gymnasium Zum grauen Kloster auf. Und mit dem Schwadroneur Homer, in dessen Schwadronagen dauernd gekämpft, geschlachtet und Achill, das Vieh, verherrlicht wurde. Nicht minder der Eroberer Caesar. So wuchs man ganz selbstverständlich in den Primat militärischen Denkens hinein. Das ging zwar nie soweit wie im Orient, wo die Gewalt, ganz ohne humanistisches Gymnasium, angebetet wurde und auch heute noch verherrlicht wird, aber es bildete eine Grundierung, die den Krieg immer mitdachte. Der Krieg war in der gesamten Geschichte der Normalfall, und er ist es in weiten Teilen der Welt noch immer. Nur die Europäer und Amerikaner haben nach dem WK1 und dem durch Versailles eingefädelten Nachfolgekrieg dazugelernt. Um WK1 zu vermeiden, wären Führungsfiguren nötig gewesen, die sich der Schwarmintelligenz hätten entziehen können. Die Landnahme und Eroberung nicht als Bereicherung empfanden, sondern als bedenklich und kurzsichtig. 

Alexander schlug die Perser bei Issus 333 vor Seneca, eroberte den Nahen Osten bis Indien, und es folgten die Diadochenkämpfe. Ein Krieg blieb nie allein. Lange Friedenszeiten gab es nur durch besonders skrupellose Brutalos wie Augustus, die nach dem großen Schlachten umschalten konnten auf ein Friedensprogramm. Ihre Macht war so übermächtig, daß es keine neuen Kriege gab. Dagegen führte das Gleichgewichtsdenken zu langen Kriegen: dem Dreißigjährigen 1618-1648, und dem Einunddreißigjährigen 1914-1945. Mehrere ähnlich starke Mächte führen öfters mal Krieg. Man könnte vermuten, daß ein weniger starkes Amerika in Zukunft zu mehr Kriegen führen wird. Amerika wird ständig auch durch ein Europa geschwächt, das ein Heilsarmee- und Sozialarbeiterdenken entwickelt hat und die NATO immer unglaubwürdiger werden läßt. 

Donnerstag, 29. Januar 2015

Trau keinem Politiker


Hätte sich eine der polemogenen europäischen Regierungen 1914 besser verhalten können, um einen europaweiten Krieg zu verhindern?
Aber selbstverständlich! Wien hätte sein Balkan-Engagement ändern können, wie es der von den halbamtlichen Serben ermordete Thronfolger Franz Ferdinand plante. Der russische Finanzminister Kokowzow hätte den wenig souveränen Zar mit Verbündeten gegen die russische Kriegspartei unter Druck setzen müssen. Bei Paris wäre nicht viel möglich gewesen, scheint mir, zu stark war der französische Dünkel und Nationalismus. Aber ohne die Aufgabe der englischen Neutralität wäre der 1. WK ausgefallen. Und natürlich hätte Berlin Wien beeinflussen können, sich gegenüber den serbischen Verbrechern souverän zu verhalten.
So viele Möglichkeiten also, die nicht realisiert wurden. Die Ursache liegt in dem defizienten Führungspersonal, dessen Hirne überall mit Nationalismus eingenebelt waren. Für die intellektuelle Unbedarftheit sei der britische Strippenzieher, Außenminister Edward Grey, als Beispiel genannt:
"Er vertrödelte seine Jahre am Balliol College in Oxford, wo er den größten Teil seiner Zeit darauf verwendete, Tennis-Champion zu werden, bevor er mit einer Drei in Jura sein Examen machte. Das Fach hatte er gewählt, weil es dem Vernehmen nach einfach war. An seinen ersten (unbezahlten) politischen Posten kam er über familiäre Beziehungen."
Das Handeln solchen Adelsgesindels verursachte dann den millionenfachen Tod der einfachen Soldaten. Bis auf Nikolaus II. überlebte das führende Polit-Pack den grauenhaften Krieg. Eine Lehre lautet daraus sicher, die politische Macht stets unter Generalverdacht zu stellen und nur direkte Demokratien zu akzeptieren.













Mittwoch, 28. Januar 2015

Comenius und die Wohlfahrt der Länder




Das ist nicht Chomeini, sondern Comenius in Berlin-Neukölln im Comenius-Garten, geschaffen von dem Bildhauer Josef Vajce. 
(Foto: Schulz/Wiki.)




Ein interessanter Fall! Der Calvinist Comenius (1592-1670) im katholisch beherrschten Böhmen. Man sprach böhmisch, Wien sprach deutsch. Es wurde bei den Herrschern hin- und hergeheiratet und auf diese Weise Länder und Herrschaften erworben und Erbfolgekriege geführt. Das fand Comenius so geistlos und oberflächlich und unfruchtbar, wie es auch war. Entsprechend forderte er ein Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Beförderung des Volksglücks in seiner Schrift "Gentis felicitas". Darin heißt es:


„(1) Ein Volk […] ist eine Vielheit von Menschen, die aus gleichem Stamme entsprossen sind, an dem selben Ort der Erde […] wohnen, gleiche Sprache sprechen und durch gleiche Bande gemeinsamer Liebe, Eintracht und Mühe um das öffentliche Wohl verbunden sind.
(2) Viele und verschiedene Völker gibt es […], sie sind alle durch göttliche Fügung in diesem Charakterzug gekennzeichnet: wie jeder Mensch sich selbst liebt, so jede Nation, sie will sich wohlbefinden, im wechselseitigen Wetteifer sich zum Glückszustand anfeuern.“
Danach stellt Comenius (jeweils mit Begründung und Erläuterung) 18 Merkmale für „Volkswohlfahrt“ zusammen, darunter einheitliche Bevölkerung ohne Mischung mit Fremden, innere Eintracht, Regierung durch Herrscher aus dem eigenen Volk und Reinheit der Religion.” (Wiki.)


Das ist sinnvoll gedacht, denn die gemeinsame Sprache bindet die Kommunikationen zusammen und verbindet dadurch, wie auch durch die gemeinsamen Sitten und Rituale der Religion. Daher ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker heute allgemein anerkannt und von der UNO überwacht.
Ein Patentrezept ist es gleichwohl nicht, denn die Entflechtung der verschiedenen Stammes-, Sprach- und Religionsgruppen war in der Regel nicht möglich und stiftete nachhaltig Unfrieden. Und förderte den Nationalismus, der leicht kriegerisch wird und, bei vitalen Völkern, imperialistisch entartet. So eroberte England Nordamerika, doch sagte sich die Kolonie los und wurde ein multiethnisches Einwanderungsland. Die Indianer wurden verdrängt, teilweise ausgerottet und galten der dominanten britischen Kultur als nicht gleichwertig. Bis heute haben sie Probleme mit der angelsächsischen Kultur, wie auch die Afroamerikaner. Die zuwandernden Nordeuropäer bildeten jedoch eine große Bereicherung, weil sie sich schnell anpaßten und die Sprache lernten. Die viel größere individuelle Freiheit lockt zudem bis heute agile und höchstqualifizierte Zuwanderer an, die das Land zur ökonomisch und wissenschaftlich führenden Multikulti-Nation machten. Das aber auch einen speziellen Nationalismus ausbildete und die Phlippinen und Hawaii kolonisierte bzw. annektierte.
Ob das angelsächsisch dominierte, einsprachige Multikulti-Konzept weiterhin erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Die vielen nicht anpassungsbereiten und anderssprachigen Zuwanderer aus Mexiko setzen da ein Fragezeichen. Wie die Afroamerikaner weisen sie zudem eine höhere Geburtenrate auf als die Gruppe der angelsächsischen Leitkultur. Deswegen bleiben die Prinzipien des Comenius - insbesondere gemeinsame Sprache und Kultur - auch heute von Bedeutung für ein vitales Gemeinwesen, das nicht in Parallelgesellschaften zerfällt und dadurch gelähmt wird.









Dienstag, 27. Januar 2015

Die Blechträger







Da hatte Paul Cambon mehr Blech auf der Brust, aber Wilhelm II. stand ja auch für eine verspätete Nation, der Frankreich und Großbritannien an allen Ecken und Enden auf die Füße trat.



Wenn man das Personal um 1900 durchmustert, dann weht einen überall prästierte Männlichkeit und Nationalismus an, gemischt mit einem äußerlichen Ehrbegriff, wie er sich bei den meisten Männern an der Blechdekoration ablesen läßt. Nicht nur die Monarchen, auch subalterne Lords wie Francis Bertie zeigen sich, obwohl Diplomaten, mit Säbel und Blechbrust. Die Spitzenposition markiert hier wohl der französische Botschafter in London, Paul Cambon, der auch sprachlich seinen Chauvinismus zum Ausdruck bringt, indem er rationale Ehre allein der französischen Sprache zubilligt. Das Denken in Äußerlichkeiten findet sich auch im Drang nach imperialistischer Ausdehnung; mehr Land - mehr Ehr - mehr Reichtum, das ist die Logik. Und dies ist die eigentliche Ursache für den WK1, das serbische Mordunternehmen in Sarajewo war nur ein Anlaß.

Europa hat heute den soldatischen Männlichkeitskult, den Nationalismus und den Imperialismus weitgehend überwunden und will keine Grenzen mehr gewaltsam verändern. Anders das asiatisch beeinflußte Rußland, das erneut Protz und Prunk, Nationalismus und Militarismus auferstehen läßt. Putin ist sein Führer, der auch wieder aktiv Krieg führen läßt. Auf das Selbstbestimmungsrecht läßt er schießen. Das ist eine schwierige Situation für die Westeuropäer, die abgerüstet haben und die Situation mit zivilen Maßnahmen einhegen wollen. Das wird jedoch nur gelingen, wenn der innenpolitische Druck auf Putin (zu) stark wird. Er weiß, daß er seine Macht in einer friedlichen Zivilgesellschaft nicht dauerhaft sichern kann. Dazu braucht er die alten Versatzstücke von 1900: prästierte Männlichkeit und Nationalismus, gemischt mit einem äußerlichen Ehrbegriff. Und Ähnliches findet sich beim kleinasiatischen Nachbarn Erdogan.


Spaß machte es auch, die Uniformen zu tauschen; Zar Nicky rechts und sein Vetter Willy 1905
(Beide Bilder: Wiki.)