Montag, 1. September 2008

Soziale Anlage

FAZ, 60 Jahre Nordkorea. Fünfundzwanzigtausend Kinder formen Bilder mit Klapptafeln: das Arirang-Festival in Pjöngjang, das größte Massensynchronspektakel der Welt.

29. August 2008 FAZ . Gerecht teilen will gelernt sein. Doch ein Gutteil dieses altruistischen Wesenszuges dürfte dem Menschen quasi schon in die Wiege gelegt und erst im Laufe der Kindheit, im Alter zwischen sieben und acht Jahren, "aktiviert" werden. Das ist im Kern das Ergebnis von Versuchen, die eine Gruppe Schweizer Experimentalökonomen um Ernst Fehr von der Universität Zürich mit 229 nicht miteinander verwandten Drei- bis Achtjährigen vorgenommen hat.
Die 127 Mädchen und 102 Jungen hatten in verschiedenen Versuchen die Möglichkeit, Süßigkeiten entweder selbst zu behalten oder mit anderen zu teilen. Dabei saß der oder die andere nicht persönlich gegenüber, sondern es wurde lediglich ein Foto gezeigt. Zudem wurde den Kindern klargemacht, dass sie jeweils nur einmal mitmachen. Damit sollte verhindert werden, dass sie auf eine "Gegenleistung" spekulieren.
Einzelkinder tun sich damit leichter
Wie die Forscher in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" (Bd. 454, S. 1079) schreiben, war eine eindeutige Entwicklung zu erkennen: Von den Drei- bis Vierjährigen waren weniger als zehn Prozent zum Teilen bereit, gleich, ob sie sich aus einer Kindergartengruppe kannten oder nicht. Bei den Fünf- bis Sechsjährigen waren knapp zwanzig Prozent, bei den sieben- bis achtjährigen Schulkindern aber schon fast die Hälfte und sogar annähernd achtzig Prozent zum Teilen bereit, sofern der potentielle Partner aus derselben sozialen Gruppe kam. Vor allem Jungen neigten offenbar dazu, ihre Süßigkeiten mit Mitgliedern aus der eigenen Gruppe - weniger mit fremden - zu teilen. Einzelkinder übrigens legten eine deutlich größere Bereitschaft zum Teilen an den Tag als Geschwisterkinder.
Für die Leipziger Primatenforscher Michael Tomasello und Felix Warneken ist damit bestätigt, dass Menschen früh einen "Sinn für Gerechtigkeit" entwickeln, der teilweise angeboren ist und der auch den außergewöhnlichen Gemeinschaftssinn des Menschen zu erklären vermag. Bei Schimpansen jedenfalls hat man diesen kooperationsfördernden Zug noch nicht gefunden. Grundsätzlich sei altruistisches Verhalten, etwa einem en beim Erreichen eines Objekts zu helfen, schon bei wesentlich jüngeren, vierzehn bis achtzehn Monate alten Kindern, beobachtet worden.
LB: "Wie aus der Beschreibung des Expirementes anzusehen war, handelte es sich nicht um Kinder, die auf einer Insel nur unter ihresgleichen aufgewachsen und dabei von dem Studierenden ohne Interaktion beobachtet wurden. Vielmehr hatten die Achtjährigen Kinder eben schon 8 Jahre Indoktrination "Teilen ist gut" hinter sich. Man kann also lediglich den Schluss ziehen, daß in dieser Gesellschaft aufgewachsene Kinder ab einem gewissen Alter zum Teilen neigen, zu der Schlussfolgerung, es sei "angeboren" langt es jedoch nicht." Klassischer Sampleship Bias, Carsten Maybach
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Daß gesellig lebende Tiere eine entsprechende Sozialausstattung besitzen, vermag nicht zu verwundern, man denke nur an das verschiedene Verhalten von Katze und Hund. Menschen sind supersoziabel, sie bilden vielerlei Gruppen und Gesellschaften und haben eine weltweite Arbeitsteilung entwickelt. Die starke Sozialanlage altruistisch zu nennen, moralisiert sentimental. Zumal diese Veranlagung nicht nur die bekannten großen Vorteile für alle aufweist, sondern auch Schattenseiten besitzt wie Herdendenken und -verhalten (da teilt man gemeinsame Ziele), die undifferenzierte und opferbereite Hingabe an Führer jeglicher Art und die ausgeprägte Trittbrettfahrermentalität, tüchtige Individuen und auch die eigene Gruppe auszubeuten. Die Gesinnung des Teilens ist zum Beispiel in Afrika ein großes Problem, wo fleißige und tüchtige Familienmitglieder durch faule enteignet werden und so die ganze Familie in Armut verharrt. Die Teilungsgesinnung zum "Sinn für Gerechtigkeit" zu verklären, erscheint in diesem Zusammenhang als eine unfruchtbare Ideologie.

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