Mittwoch, 15. Juli 2009

Gruppe, Gehirn, Religion



In der reformierten (calvinistischen) Kirche in Leipzig, Tröndlinring (zeigt derzeit eine interessante Calvin-Ausstellung)

- ' An der Bonner Klinik für Epileptologie wurde einmal ein an epileptischen Anfällen leidender Mann behandelt, der schon seit seiner Kindheit keinen sozialen Normen folgte und als berüchtigter Schläger, Einbrecher und Dieb zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Als Ursache der Epilepsie identifizierte man eine Missbildung im Stirnhirn.
Nachdem die Ärzte die Struktur von knapp Fingerhutgröße chirurgisch entfernt hatten, traten keine Anfälle mehr auf. Zudem legte der Patient nun ein gänzlich anderes Verhalten an den Tag, geprägt von Verantwortungsbewusstsein, Mitgefühl und Moral. Er leitet inzwischen ein Unternehmen. Durch das Herausoperieren des Stückchens Hirngewebe wurde er nach Elgers Worten „ein anderer Mensch“. ' ' „Neuroleadership“
Führen mit mehr Geist oder mehr Hirn, FAZ 1.7.09

- ' „Nichts ist dem Gehirn so verhasst wie der schiere Zufall“, sagt Elger. ' „Neuroleadership“
Führen mit mehr Geist oder mehr Hirn, FAZ 1.7.09

- " Ein Milliarden-System
Das Gehirn des Menschen wird mit gutem Grund als das komplexeste Gebilde im bekannten Universum bezeichnet. Schon die nackten Zahlen sind eindrucksvoll, und sie beeindrucken sogar noch in der jetzigen Wirtschaftskrise, in der das Rechnen mit Milliarden zum alltäglichen Geschäft geworden ist. Rund einhundert Milliarden Nervenzellen, so die gängige Schätzung, beherbergt unser Gehirn. Dazu kommen zehnmal so viele Gliazellen, eine in ihrer Bedeutung für die Informationsverarbeitung lange unterschätzte Fraktion. Noch weit imposanter als die Zahl der Zellen ist die der Verknüpfungen: Mit bis zu 15.000 Kontaktstellen kann eine einzelne Nervenzelle mit anderen Nervenzellen verbunden sein. Das Ergebnis sind Aberbillionen von Verbindungen. Unfassbar jedenfalls, dass es nicht zu einem heillosen Durcheinander kommt, zumal die Verbindungen nach Bedarf wieder gekappt und durch andere ersetzt werden.
Die Wandlungsfähigkeit oder Plastizität des Gehirns, die dem Menschen lebenslang die Fähigkeit zum Lernen und zur Weiterentwicklung verleiht, stellt den Grundpfeiler für Neuroleadership dar. Diese Plastizität lässt sich auf der Ebene der Materie festmachen, wie die Hirnforschung gezeigt hat: In Sekundenschnelle können sich schon bestehende Kontaktstellen, die Synapsen, zwischen Nervenzellen verstärken. Bei Bedarf werden auch neue Synapsen angelegt, was vielleicht Stunden dauert. Beides dient dem Lernen und dem Gedächtnis. Entgegen einem lange zäh verteidigten Dogma können im Gehirn von Erwachsenen sogar neue Nervenzellen heranwachsen. Auch dieser Prozess, der Tage erfordert, steht im Dienste des Lernens. Die Möglichkeiten, die sich infolge der Plastizität für die Weiterentwicklung des Menschen ergeben, wird nach Elgers Überzeugung noch nicht voll erkannt, zum Beispiel in der Wirtschaft. ..." Führen mit mehr Geist oder mehr Hirn, FAZ 1.7.09

- " Eine Naturgeschichte Gottes? Zur biologischen Evolution von Frömmigkeit.
Eckart Voland, Gießen, Montag, 13. Juli 2009 -

Der Vortrag bot interessantes Material, konnte in wichtigen Punkten aber nicht überzeugen. Gerade in Herleitung und Genese:

Zwei Dinge sind entscheidend für die religiöse Disposition des Menschen:

1. Die Gruppendisposition: Der Mensch ist ein Rudeltier .
2. Die enorme Zunahme der Hirnkompetenz gegenüber anderen Säugern.

Zu 1.
Alle Rudeltiere rücken in einen Gruppenrangplatz ein, die Nr. 1, der Tenno, wird vergöttlicht. Früher oder später (vgl. Euhemeros). Da der Mensch völlig hilflos in die Kleingruppe geboren wird, werden die Eltern als omnipotent, als "göttlich" erlebt und vorgestellt. Das Kind ist in diesem Sinne "religiös", rück-gebunden, die Familien-Nr. 1 wird später im gleichen Muster übertragen auf abstraktere Führer bis hin zum Pharao und Tenno und einem transzendenten Boß.
Zu 2.
Da die großen Menschenaffen keine elaborierte Religiosität kennen, müssen es die Hirnleistungen sein, die Religiosität ermöglichen. Die Gefühlswelt der großen Menschenaffen dürfte wohl die gleiche sein wie beim Menschen, doch im Hinblick auf kognitive Leistungen erscheint der Unterschied mehr als riesig. Die große Hirnkompetenz ermöglicht eine ungeheure, völlig einzigartige kulturelle Evolution, und mit der Sprach- und Kulturfähigkeit werden auch alle Variationen von Religion erzeugt.

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