Donnerstag, 8. April 2010
Der Frankforter, Helmut Schmidts 70er Jahre, Wahrnehmung und blinde Flecke
Im Bereich des blinden Flecks wird nichts gesehen, das Sehhirn füllt aber dieses schwarze Loch, so daß es dem Sehenden nicht auffällt - diese Wahrnehmungslücke läßt sich übertragen auf alle Wahrnehmungsvorgänge, wobei das Loch bei der Selbstwahrnehmung besonders groß ausfällt, ohne daß es dem Wahrnehmenden bewußt wird.
- ' Der Frankforter
Das schönste Denkmal aber hat sich der Zeitgeist in dem anonymen "Büchlein vom vollkommenen Leben" errichtet. Der Verfasser war Mitglied des Deutschritterordens und zu dieser Zeit Kustos des Deutschherrenhauses in Frankfurt am Main. Es kam wie alle anderen mystischen Schriften auf den Index. Es ist Martin Luther zu verdanken, der es mit einem Vorwort versah und neu herausbrachte, daß es nicht unterging. Es wurde ein Lieblingsbuch Schopenhauers, der den "Frankforter", wie er ihn nannte, neben Buddha und Plato stellte.
Zitat aus dem Frankforter: "Wer das Christenleben darum führt, weil er dadurch etwas erreichen oder verdienen will, der hat es als ein Löhner und nicht aus Liebe, das heißt: Er hat es überhaupt nicht. ... Solange der Mensch "sein Bestes" sucht, kann er es nicht finden. Denn dann sucht er nur sich selber und wähnt, er selber sei das Beste. Da er aber das Beste nicht ist, so sucht er auch nicht das Beste, solange er sich sucht. Für den Menschen aber, der das Vollkommene geschmeckt hat, werden alle geschaffenen Dinge zunichte: er selber eingeschlossen. ... Daß wir uns selber entweichen und unseres Eigenwillens sterben und nur noch Gott und seinem Willen leben, des helf uns der, der seinem himmlischen Vater seinen Willen aufgegeben hat, Jesus Christus. ... Hier endet sich der Frankfurter." ' (wendelsteiner.de/Christen/Mystik.html)
/// Ich kenne dieses Büchlein nicht, ich wurde darauf aufmerksam gemacht. Was ich im Netz direkt fand, war dieser Eintrag, der das zentrale Problem aller Religionen, Ideologien und Marotten zu umreißen scheint: die Orientierung auf ein überindividuelles Ziel, das das ICH, das individuelle psychische System entlastet; zugleich liegt darin die Gefahr, sich nicht selbst kennenzulernen und sich über sich selbst zu täuschen. Es gibt asketisch veranlagte Persönlichkeiten, die sich weitgehend einer fixen Idee unterordnen können, Mutter Theresa und der jetzige Papst scheinen solche Menschen zu sein. Sie verlieren allerdings die Welt außerhalb ihrer Ideologie aus den Augen, zum Beispiel das Vermehrungs- und das Ernährungsproblem. Weniger asketische Naturen geraten in Konflikte aller Art. Wie auch alle anderen, die stets von neuem wählen müssen, welchen individuellen und welchen überindividuellen Zielen sie folgen sollen. Folgen sie ganz ihren individuellen Strebungen, so unterliegen sie allerdings, von der anderen Seite aus wie die Gesamtideologen, ebenfalls dem Kontaktverlust zur Umwelt. Sie drehen sich um sich selbst und lernen sich dadurch auch nicht genug kennen, weil die Selbstbeobachtung stets mit dem BLINDEN FLECK zu kämpfen hat, der nur duch Außenvergleiche und Weltbegegnung verkleinert werden, aber nie auch nur zur Hälfte überwunden werden kann. Es bleibt nur die schwierige Position ständiger Justierung, ähnlich wie auf Goethes Kutschenfahrt mit Lavater und Basedow: "Prophete rechts,Prophete links, Das Weltkind in der Mitten."
- Helmut Schmidts 70er Jahre: "Ich habe noch im Ohr, wie mehrere Minister am Kabinettstisch der Regierung Schmidt ungefähr zehn Jahre vor dem Fall der Mauer von einer Begegnung mit dem SED-Wirtschaftsexperten und Staatsratsmitglied der DDR, Günter Mittag, und dessen Qualitäten schwärmten. Das alles ist heute natürlich nicht mehr wahr, weil es nicht in die Meinungslage passt und damit auch nicht in die Annalen der Geschichte." Albrecht Müller, Meinungsmache (Rez. FAZ 6.4.10 Plick.)
/// Ideologen lernen schwer, ihre Wahrnehmung geht durch einen dichten Filter; Ideologen der Transzendenz, die auf ein Jenseits verweisen, sind meist den säkularen vorzuziehen, die im Hier und Jetzt ihr Unwesen treiben.
- Manche Ideologen fühlen sich bei ihren Sauereien sauwohl, wie Cohn-Bandit: http://www.youtube.com/watch?v=iBUPliIHHMs
- Hirnforscher Gerhard Roth in HR2 Kultur-Doppelkopf: hörenswert trotz mancher sehr robuster Aussagen (Podcast v. 7.4.10), "ein inkonsequenter Erziehungsstil ist absolut zerstörerisch", "die Täter haben keinerlei Reuegefühl"
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