Samstag, 3. April 2010

Welt- und Himmelsreise, Maß und Mitte




Geht auch angezogen!




- Weltreise: "...Statt um Universalität der eigenen Kultur geht es um Koexistenz und Gegenseitigkeit der Kulturen, die gegenüber unterschiedlichen Kulturkreisen unterschiedlich definiert werden müssen. Mit dem nicht nur geographisch benachbarten russisch-orthodoxen Kulturkreis ist eine engere politische Kooperation möglich als mit China, in dem wesentlich andere Vorstellungen über Fairness und Gegenseitigkeit herrschen. Im Falle Chinas brauchen wir eine Mischung von Kooperation und Kompetition, eine Kunst, die man in China glänzend beherrscht und die dabei hilft, sich die Rosinen aus der Globalisierung herauszupicken.
Gegenüber einer weitgehend inkompatiblen Kultur wie der islamischen sind stärkere Abgrenzungen im Sinne einer friedlichen Koexistenz erforderlich. Gegenseitigkeit bedeutet hier, dass nicht mehr die eigenen Wünsche, sondern das Verhalten des anderen im Mittelpunkt der Analyse steht. Der 11. September 2001 war auch ein Resultat westlicher Ignoranz gegenüber dem totalitären Islamismus. Während die Nato für das Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg nicht einmal vor der Drohung einer globalen gegenseitigen Vernichtung zurückschreckte, hegte sie in den neunziger Jahren Skrupel vor einem Bombardement terroristischer Ausbildungslager, die durch Luftschläge wesentlich leichter hätten ausgeschaltet werden können als durch Bodentruppen im asymmetrischen Guerillakrieg.
Die neue Nato-Strategie wird der alten und zu Unrecht fast vergessenen Strategie des Kalten Krieges ähneln. Die Nato war bis 1990 das erfolgreichste Bündnissystem der Weltgeschichte. Es hatte nicht auf die Zerstörung des gemeinsamen Feindes gedrängt, sondern sich mit dieser Bedrohung arrangiert. Terror und Schurkenstaaten existieren seit Jahrhunderten und lassen sich nicht ein für alle Male ausrotten. Der totalitäre Islamismus ist ein Feind der offenen Kultur, wie es das Sowjetsystem war. Gleichwohl hat die Nato auf Interventionen im Sowjetsystem verzichtet. In dem ideologisch unlösbaren Antagonismus des Ost-West-Konflikts war kein anderer Weg verblieben, als ihn durch die Gleichzeitigkeit von Abschreckung, Eindämmung und gegebenenfalls Entspannung offenzuhalten. Zivilisatorische Handelsverlockungen trugen dazu bei, den Feind zum Gegner und schließlich zum Partner zu entwickeln. Am Ende entschied die Geschichte. Die kommunistische Ideologie verstand unter dem Grundsatz der friedlichen Koexistenz zwar nur eine Art Waffenstillstand bis zur erwarteten Weltrevolution, und auch Dschihadisten hegen entsprechende Hoffnungen auf ihren Endsieg. Solche Visionen können wir aussitzen, wenn wir die Kernelemente unserer Kultur zu behaupten verstehen. ..." Heinz Theisen, Grenzen des Universalismus, Nach Afghanistan muss sich der Westen zurücknehmen, Merkur 3/2010
/// In der Tat muß man den christlich basierten Universalismus begrenzen, auch, wenn man ihn für richtig hält. Er ist ein Produkt sehr langer regionaler Entwicklung und eben nicht universal. Soweit er sich auch biologisch ausweisen kann - das betrifft vor allem die körperliche Unversehrtheit des Individuums, verbunden mit individuellen Sichtweisen - ist er der Kernbestand der Menschenrechte. Wie weit Pluralismus auch Kunst- und Pressefreiheit mit einschließt, die Betonung liegt angesichts der zahlreichen Widerwärtigkeiten in der westlichen zivilisatorischen Gegenwart, die unter diesem Etikett firmieren, auf WIE WEIT, darüber wäre auch im Westen zu diskutieren. Man denke da nur an die von linksradikaler Seite propagierte "Sexuelle Revolution", die auch den Mißbrauch von Kindern miteinschließt, und die inzwischen aus allen Medien quillt. Die völlig unverzichtbare Presse- und Meinungsfreiheit ließe sich auch ohne Pin-Up-Bilder darstellen. Wie weit öffentliche Mittel, also Steuergelder, für billige Sexkunst a la Schiele, Kirchner, Koons und Co. eingesetzt werden darf, wäre zu überlegen.

- Moscheenreise: „Den Islam“ gibt es nicht - das ist fast eine stehende Redewendung, wenn sich der Streit um diese Religion und vor allem um ihre Kritiker wieder einmal entzündet. Gemeint ist damit meist der Verweis auf die Vielfalt islamischer Glaubensrichtungen, und wer die also nicht sofort aufzählt, hat sich selbst entlarvt. Als Ungläubiger, als Zweifler, als Störenfried mit Bildungslücken. Necla Kelek besteht trotzdem darauf, dass es „den Islam“ gibt, in Deutschland, mit all seinen Strömungen - als soziale Realität, als kulturelle Institution, die Verhalten definiere, einfordere und reproduziere: „Er ist das, was im Namen der Religion gelebt wird.“
In ihrem neuen Buch untersucht die Soziologin in drei großen Kapiteln islamische Wirkungsmacht: als Glaube, als politische Religion und Ideologie sowie als Lebenspflicht für vierundzwanzig Tagesstunden. Weil der Islam bis heute mit seiner strengen Regulierung des Alltagsverhaltens eine strikte Unterwerfung verlangt und sich gerade darin von allen religiösen Erscheinungen in Europa unterscheidet, ist besonders dieses dritte Kapitel ein Schlüssel zum Verständnis der Parallelwelt, in der viele Muslime auch hier verharren. Die individuelle europäische Kultur unterscheidet sich von der kollektiv gelebten islamischen bereits in den verschieden interpretierten Begriffen von Ehre, Respekt, Freiheit, Achtung und Liebe; Begriffe, die wesentlich sind für die Erziehung in traditionell verfassten muslimischen Familien. ...' Aufklärung heißt das Programm, Von Regina Mönch, 31. März 2010 FAZ , Rez. Necla Kelek: „Himmelsreise“. Mein Streit mit den Wächtern des Islam. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010. 272 S., geb., 18,95 Euro.
/// Mutig und lehrreich Man kann sich für die engagierten Beiträge Keleks nur bedanken!

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