Dienstag, 20. April 2010

St. Veit am Flaum, Fiume, Rijeka und der Faschismus




Da fehlt doch was - biß die Katze zu? Blindschleichen haben viele Fraßfeinde. Der Schnellere lebt länger.





- St. Veit am Flaum : " Rijeka – italienisch Fiume – eine Stadt, in der Geschichte geschrieben wurde: 1919/20 erfand der Dichter Gabriele D’Annunzio hier den Faschismus, als er mit Freischärlern in die Stadt einfiel, um zwei Jahre lang eine makabre Party aus Massenaufmärschen, Festen, Handstreichen und Volksreden zu organisieren. Was anfangs nach oktoberrevolutionärem Selbstbestimmungsrecht roch, schlug bald um in antislawische und antisemitische Ausschreitungen von Italienern. Toscanini dirigierte für D’Annunzio in der Oper von Fiume; Marconi übertrug von seiner Yacht im Hafen eine flammende Radioansprache des „Comandante“. Die Villa, in welcher der Dichter mit seiner Geliebten residierte, ist heute ein Museum. Und im „Caffè Filodrammatico“, dem Treff der Truppen, ist eine schicke Bar untergekommen.
Marisa Madieri, die verstorbene Frau des Schriftstellers Claudio Magris, hat über ihre Jugend in Fiume berichtet: Das „Filodrammatico“ gehörte ihrem faschistischen Opa, D’Annunzio zahlte seine beträchtliche Zeche mit Phantasie-Orden; der Opa ging pleite, die Familie nach 1945 ins italienische Flüchtlingscamp. Heute, da hier die Menschen sehnlichst auf den Euro warten, den sie andernorts schon wieder satt haben, weht in dieser ungarisch-österreichisch-italienischen Metropole allerorten stolz die kroatische Flagge. Merkwürdig, dass es ein größenwahnsinniger Dichter wie D’Annunzio, ein mediokrer Schreiberling wie Mussolini und ein verkrachter Maler wie Hitler waren, allesamt Künstlernaturen also, die aus Europa ein Militärlager machen wollten." In Fiume, FAZ 18. April 2010

/// Auf den "abgewiesenen Viertelskünstler" Hitler machte schon Thomas Mann in seinem Essay von 1939 "Ein Bruder" aufmerksam, der Titel des Erstdrucks lautete sogar "Bruder Hitler". Es ist in der Tat frappierend, daß Hitler von feuilletonistischen und populärwissenschaftlichen Ideen beherrscht wurde, die er mit Wagneropernelementen und realblutig in Szene setzte. Ein diffuses RASSEN-Bild trieb ihn um, gespeist aus den frühen Wiener Asylanten-Tagen, BLUT UND BODEN als mythische Metaphern spielten eine Rolle, eine Art STARKER-SIEGFRIED-DARWINISMUS leitete ihn, der mit Wagner viel, wenig aber mit Darwin zu tun hatte, ein HEROISMUS wie aus Schwabs 'Heldensagen des klassischen Altertums' beseelte ihn, aber reale Menschen waren ihm wohl nicht verstehbar und interessierten ihn nicht. Er fühlte sich, wachsend mit seinen unglaublichen Erfolgen bis 1941, als Mann der Vorsehung, als Künstlermeister aller Klassen. Feuilletonbilder und -ideen, dazu Haßvorstellungen, jedoch keine klaren Konzepte, keine ausgearbeiteten Strategien leiteten Hitlers Handeln. Gelegenheiten ergriff er bedenkenlos und brutal und überrumpelte damit seine Gegner, denen es diesem Verbrechertalent gegenüber an Vorstellungs- und Entschlußkraft mangelte.
All das verband ihn mit ähnlich narzißtischen Charakteren wie D’Annunzio und Mussolini. Geschichte benutzen sie als Heldenerzählungssammlung für ihre Abziehbilder. Bleibt es rätselhaft, daß es überall in Europa, namentlich aber bei feuilletonistisch gestimmten, sogenannten gebildeten Kreisen eine Faschismusmode gab? Evelyn Waugh nahm im Abessinien-Krieg Partei für Mussolini, Muriel Spark war von ihm angetan, eine Mitford-Tochter ließ sich mit Hitler ein, eine andere heiratete den eglischen Faschistenführer Mosley, der Zehnmonats-König Edward VIII. sympathisierte mit Hitler etc. Es war wohl das theatralische Spektakel der Faschistenführer, die die Helden mimten, daß diese Theater- und Opernfreunde ansprach.

Bilder bewegen uns ohne Sinn und Verstand. Das Feuilleton jongliert damit und mischt Ideen a la mode darunter. Tröstlich, daß es skrupellose, machtgierige narzißtische Tat-/Täternaturen und politisch günstige Konstellationen zur Usurpierung der Zentralmacht nicht allzu oft gibt.

Fiume und Rijeka hießen übrigens auch St. Veit am Flaum; es gehörte über 500 Jahre bis 1918 zum Habsburgerreich.

- Bilder, Heldenrollen, Kriegstheater: World of Warcraft hat offenbar ein Massenpublikum

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