Mittwoch, 2. Februar 2011

Idee und Institution





Konsequent: Marcion



- Schon länger her, aber noch wirksam: Marcion 85-160. Seine Absage an den brutalen Gott des Alten Testaments und seine Hochschätzung des neuen Liebesgottes Christus mit einer entsprechenden Textreduktion auf ein revidiertes Lukas-Evangelium und zehn Paulus-Briefe leuchten unmittelbar ein. Der Geist des Neuen Testaments wird dadurch konzentrierter faßbar, dieser schmalere Textkorpus läßt sich außerdem besser und billiger kopieren und verbreiten. Beides mag für den zeitweiligen Erfolg des Marcionismus eine Rolle gespielt haben. Die dezidierte Zwei-Reiche-Lehre Luthers ist bei ihm vorgebildet, Harnack sieht ihn denn auch als einen Vorläufer Luthers.

Warum sich der Marcionismus nicht auf Dauer durchsetzen konnte, erscheint unklar; war seine Lehrer zu intellektuell?, wollte man nicht auf das gemeinsame jüdische Erbe verzichten?, war Marcion nicht genügend durchsetzungsstark als Reformator?
Als entscheidend jedenfalls für das lange Leben der Ideologien rückt die Institution in den Blick als überindividuelle, zeitenüberdauernde Macht.
Die Reformer und Gottesvorstellungen, gerade in der frühen Kirche, kommen und gehen, die Institution bleibt bestehen.

Adolf von Harnack: Marcion: das Evangelium vom fremden Gott; eine Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche. Nachdruck der 2. Auflage von 1924. Wiss. Buchges., Darmstadt 1996

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