Donnerstag, 28. Februar 2013

Hart im Raume stoßen sich die Sachen









Mathematik ist eine schöne Sache. Angewandte Mathematik ist noch schöner. Kein Zweifel. Aber sie ist eine Geisteswissenschaft. Es fehlen ihr beide Beine, dafür ist der Kopf etwas größer. Als die Römer Syrakus einnahmen, so erzählt die Legende, habe Archimedes gerade Geometrie im Sand betrieben und einen unfreundlichen Legionär aufgefordert, seine Kreise nicht zu stören. Offenbar besaß der militante Mann keinen Sinn für Geometrie und erschlug Archimedes. Luftig frei sind mathematische Konstruktionen, aber hart im Raume stoßen sich die Sachen, könnte man mit Schiller anmerken.

Da erging es Achilles Macris besser. Er entwarf aber nicht im Sandkasten geometrische Figuren, sondern komplexe Finanzprodukte bei Dresdner Kleinwort, wo ein großer Verlust im Kapitalmarktgeschäft des Investmentbankings entstand. Mitverantwortlich war Macris, “ein Finanzgenie, ein hochkarätiger mathematischer Fachmann, der komplexe strukturierte Produkte konzipieren konnte, vor allem Derivate”, so Kollegen über ihn. (FAZ 19.5.12) 
Die Allianz, zu der die Dresdner Kleinwort 2006 gehörte, reduzierte das Derivategeschäft, und der fixe Finanzmathematiker wechselte zu J.P. Morgan. Dort baute er eine Gesamtposition von 100 Mrd. USD auf, ja, und dann war so einiges los 2008, nämlich die von den famosen Finanzmathematikern nicht ganz richtig berechnete Finanzkrise, die immer noch nicht gänzlich überwunden ist. In den USA waren ebenfalls mutige Mathematiker tätig, die wunderbare Körbe von zweitrangigen Häuser-Krediten ausgeklügelt hatten. Alles sauber berechnet, sagten sie, und verwiesen auf ihre Mathe-Diplome.

Man könnte fast sagen, daß inzwischen das Doppelstudium Wirtschaft und Mathematik zur Regel geworden ist. Seit jeher leiden die Ökonomen daran, daß ihre Wissenschaft eine Weichwissenschaft ist, weil sie mit Menschen, Menschengruppen und deren Moden und unvorhersehbaren Entwicklungen zu tun hat. Immer gab es fünf Meinungen bei vier Ökonomen. Aber mit der Mathematik und ihrem Formelwerk glauben sie, einen besseren Eindruck machen zu können. Die Volkswirtschaft wurde vermathematisiert bis in die Socken. Bis zu Figuren wie Achilles Macris und der Subprimekrise. Vorsicht also, wenn die Mathematiker den Sandkasten verlassen und Ökonomie studieren. Rechnen können sie, aber vor lauter mathematischen Modellen sehen sie die Wirtschaft nicht mehr, den Raum, wo sich die Sachen hart stoßen.

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