Montag, 26. Januar 2015

Irrationalismus als Programm




Lord Bertie bevorzugte den Säbel an seiner Seite, Maurice Paléologue (1859-1944) den Stift, mit dem er auch über Gespräche mit dem Zaren nach Paris berichtete, die nie stattgefunden hatten.

(Bild: Wiki.)


Niemand wollte den europäischen Krieg, doch trugen alle Seiten zu seinem Ausbruch bei. Allerdings unterschiedlich viel. Einen besonderen Beitrag leistete der französische Botschafter in Moskau, Maurice Paléologue. Er betrachtete die Politik literarisch und schrieb so allerhand:

“'In bestimmten Fällen (schreibt Paléologue in seiner Biographie des Grafen Cavour) überläßt der kluge Mann vieles dem Zufall; die Vernunft veranlaßt ihn, blind den Impulsen oder Instinkten jenseits jeder Vernunft zu folgen, die vom Himmel geschickt scheinen. Niemand kann sagen, wann man sie wagen darf oder wann man die Finger davon lassen soll; kein Buch, keine Regeln, noch Erfahrung kann ihn das lehren; allein ein gewisses Gespür und eine gewisse Tollkühnheit können ihm das sagen.'
Die ausgeprägte und unerschütterliche Germanophobie Paléologues ging einher mit einem Hang zu katastrophalen Szenarien, den viele seiner Kollegen für gefährlich hielten." 
(Clark, Schlafwandler, S. 560f.)

Wie kam ein solcher Mann mit bereits einschlägigem Ruf zu dem wichtigsten Außenposten, den Paris zu besetzen hatte? Nun, er war mit dem Staatspräsidenten Poincaré in einer Schulklasse gewesen, und die Deutschfeindlichkeit reichte für die gemeinsame Vertrauensgrundlage. Vielleicht muß man die Annahme, daß niemand einen europaweiten Krieg gewollt habe, dahingehend modifizieren, daß Poincaré ihn durchaus anstrebte als Revanche für die Niederlage von 1870/71, und daß er deswegen die französische Außenpolitik zum Balkan hin öffnete und einen "Phraseur und Phantasten", so der russische Botschafter in Paris, Alexander Iswolski, über Paléologue, nach Petersburg schickte.







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