Dienstag, 14. Juli 2015

Einfache Etiketten lieben die Leute








Rinks und Lechts kann man leicht verwechseln, meinte Ernst Jandl. Das stimmt. Beide Seiten haben einen Hang zur großen Staatsmacht und auch zur Diktatur. Links ist eher international orientiert, Rechts national bzw. nationalistisch. Aber schon in der Französischen Revolution, woher die Unterscheidung ursprünglich stammt, geht das durcheinander. „National“ bezeichnete bis 1789 nur einen Geburtsstatus von untergeordneter Bedeutung, aber mit dem Sturz des Adels werden Volk und Nation aufgewertet, und die Nation entartet sofort in einen nationalistischen Blutrausch; die „Grande Nation“ will ihre Revolution gleich mit Feuer und Schwert in ganz Europa verbreiten. Die Linke beschönigt die maßlosen Massaker und Kriegszüge der Französischen Revolution bis heute als „Gewitter der Freiheit“. Wie die Rechten sind sie verlogen bis in die roten Socken. Und aus den Linken können schnell Rechte werden. Im Moskau der Oktoberrevolution war man zunächst nationalitätenfreundlich. Was auch viele russische Juden anzog. Doch wurde das schnell zur Folklore, die KPdSU wandelte sich zu einer faschistischen Partei, die Mussolini und Hitler als Vorbild diente. KP-Führer Stalin fesselte das Land mit Blockwarten in jedem Wohnblock. Links war jetzt nur noch die völlige Verstaatlichung der Wirtschaft.

Die Rechten übernahmen von der Französischen Revolution den Nationalismus und verbanden ihn mit Kirchenkumpanei und Judenfeindschaft, die aus dem katholischen Antijudaismus stammte. Wie die Pariser Dreyfus-Affäre beispielhaft zeigte, wurden auch assimilierte und patriotische Juden angefeindet. Von dort war es nicht weit zu einer sozialistischen Haltung, die freies unternehmerisches Handeln gern anfeindete und den Staat als wirtschaftlich dominant wünschte. Die Nationalbolschewiken wie Ernst Niekisch sind hier zu nennen.

Die Links-/Rechts-Unterscheidung ist also sehr grob, sehr fließend und schillert in der Zeit mit dubiosen Mischungen. Derzeit sitzen in Athen Links- und Rechtsextremisten in einer Regierung. Daher ist Nassehis Buch sicher ein anregender Beitrag.



Keine Kommentare: