Freitag, 9. November 2018

Selbstgebaut





Goethe
Der Schatzgräber
Arm am Beutel, krank am Herzen
Schleppt' ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis' um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze;
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Und ich sah ein Licht von weiten,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten;
Heller ward's mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht': es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst mit ängstlicher Beschwörung
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!
Tages Arbeit, Abends Gäste!
Saure Wochen, frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.

(1797)

Saure Arbeit? Da sei der Hubert Heil vor und die anderen Sozialtanten. Nur nichts zumuten. Schön vorkauen und Empathie zeigen!



In der weiteren Nachbarschaft zeigt sich etwas Merkwürdiges. Ein junges Paar Ende der Zwanziger hat ein Grundstück gekauft und errichtet darauf in Leichtbauweise - Tag für Tag, von morgens bis abends, seit Juni ihr eigenes Haus. Die Wettergötter waren ihnen gewogen, der Bau strebt seiner Fertigstellung entgegen. Es war und ist für die beiden viel anstrengende Arbeit und eine starke Herausforderung auch intellektueller Art gewesen, denn die langjährige Erfahrung in den Gewerken ist auch mit einem absolvierten Architekturstudium nicht zu ersetzen. Baufehler machen auch alte Architekten und erfahrene Handwerker. Die beiden haben sich also viel zugetraut, sehr viel. Möge sich dieser jugendliche Mut und die harte Arbeit auszahlen. Jedenfalls haben sie den bei weitem höchsten Kostenfaktor beim Bauen - die Löhne - ausgeschaltet und kommen so auf billige Weise an ihr Haus. Weitaus stärker dürfte aber die Erinnerung an den wunderbaren Sommer gemeinsamer Arbeit in frischer Luft für die eigene Zukunft wirken. Auch ihr Selbstbewußtsein und ihre Lebenskompetenz haben sie damit “selbst gebaut”. Respekt.











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