Dienstag, 28. Juli 2020

Gottfried Benn „Reisen“ (1950) III

1 Kommentar:

Doleys hat gesagt…

Ja, das ist nicht das Gedicht eines jungen Mannes, den die Gärung in die Ferne treibt, und es ist auch kein romantisches Gedicht, das den Blick in die Ferne richtet.
Benn, der aus dem Pfarrhaus kam, wurde durch sein Studium der Medizin und die anschließende ärztliche Praxis desillusioniert über die conditio humana, über den Menschen, die “Krone der Schöpfung, das Schwein”. Und durch seine Biographie nicht minder, lebte er doch immer wieder in belasteten Zeiten. Er starb 1956, und das Gedicht stammt von 1950. Die Benn’sche Semantik atmet den Geist der Vergeblichkeit, ob sie vom Vergehen der antiken Reiche handelt, vom Sommer oder eben wie hier vom Reisen. Die hohen Hoffnungen des Beginns, des Aufbruchs werden enttäuscht. Spät erst im Lebensgang erfährt sich der Mensch. Es bleibt “das sich umgrenzende Ich”, das nicht mehr jedem Versprechen, jedem Unsinn, jeder Täuschung der Politik Glauben schenkt.