Mittwoch, 17. Februar 2021

„Die Füße im Feuer“ von Conrad Ferdinand Meyer

 Der katholische französische König Franz I. unterstützte die protestantischen deutschen Fürsten, was den fanatischen Spanier Karl V. auf den Plan rief. Seine Gegenreformation sah er gefährdet und er zog gegen Metz, das er aber trotz starken Beschusses nicht einnehmen konnte. Sein Sohn Philipp II. nahm wenig später die Feindseligkeiten wieder auf und fiel von den spanisch besetzten Niederlanden nach Frankreich ein. Dort führte Heinrich II. als Nachfolger Franz I. die alte französische Politik weiter und schloß 1552 mit dem protestantischen Kurfürsten von Sachsen, Moritz, den Geheimvertrag von Chambord ab. Als Belohnung erhielt Heinrich II. die reichsunmittelbaren Bistümer Metz, Toul und Verdun; Moritz waren seine fürstlichen Sonderinteressen wichtiger als das deutsche Reich. Der Konfessionskonflikt weitete sich aber auch in Frankreich aus. Calvin war nach Genf geflohen, die Hugenotten begannen sich zu organisieren, ihr Kopf wurde der Admiral Cologny, die Brüder Guise führten die katholische Seite mit spanischer Unterstützung. 1572 kulminierten die Spannungen in der Bartholomäusnacht, in der die gesamte Führung der Hugenotten in Paris abgeschlachtet wurde. Verfolgungen der Protestanten folgten in ganz Frankreich. Das ist der Hintergrund des Erzählgedichts „Die Füße im Feuer“ von Conrad Ferdinand Meyer (1825-98).

Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm. Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Roß, Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest. Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann... - „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!" - „Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert's mich? Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!" Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal, Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt, Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib, Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild... Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd Und starrt in den lebend'gen Brand. Er brütet, gafft... Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal... Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut. Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft. Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt... Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut. - „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal! Drei Jahre sind's... Auf einer Hugenottenjagd... Ein fein, halsstarrig Weib... "Wo steckt der Junker? Sprich!" Sie schweigt. "Bekenn!" Sie schweigt. "Gib ihn heraus!" Sie schweigt Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf... Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie Tief mitten in die Glut.. "Gib ihn heraus!".. Sie schweigt... Sie windet sich... Sahst du das Wappen nicht am Tor? Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr? Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich." Eintritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast..." Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet. Ihn starren sie mit aufgerißnen Augen an- Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk, Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt! Müd bin ich wie ein Hund!" Ein Diener leuchtet ihm, Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr... Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach. Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert. Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt. Die Treppe kracht... Dröhnt hier ein Tritt?... Schleicht dort ein Schritt?... Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht. Auf seinen Lidern lastet Blei und schlummernd sinkt Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut. Er träumt. „Gesteh!" Sie schweigt. „Gib ihn heraus!" Sie schweigt. Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut. Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt... - „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!" Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt. Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr - ergraut, Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar. Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut. Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad. Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch. Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft, Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht. Die dunkeln Schollen atmen kräft'gen Erdgeruch. Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug. Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit Und wißt, daß ich dem größten König eigen bin. Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht: „Du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward Sein Dienst mir schwer.. Gemordet hast du teuflisch mir Mein Weib! Und lebst!... Mein ist die Rache, redet Gott."









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