Theodor Storm (1817-1888):
Abseits
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen;
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halb verfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
Wir können uns das vorstellen, in der Lüneburger Heide, in der Teltower Heide, am Niederrhein, auf der Schwäbischen Alb - vor gut hundert Jahren, ohne Autoverkehr, ohne Touristen. Es war ein anderes Leben. In manchem ruhiger und besser, in vielem schlechter. Wie’s so geht. Die Menschen machen ihre Geschichte nicht selbst, die Geschichte ereignet sich, sie erzeugt sich aus zahllosen Einzelwillen und noch mehr Zufällen und Dummheiten.
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