Donnerstag, 26. Mai 2011

Britannia rules the waves?






Zwei echte Volkswagen:
Wo Bentley draufsteht, ist VW drin, bei Rolls Royce (Motor Cars) ist es BMW

(Bild: Brit Driver / Wiki.)



Englands Geschichte sei glücklicher verlaufen, man müsse das zugeben, meinte Golo Mann in seiner Dt. Geschichte. Zweifellos hat er recht, wer wollte das in Frage stellen, auch wenn England von der Weltmacht absank zu einer Mittelmacht, die sich anstrengen muß, nicht weiter abzusteigen. Die Impulse aus Brüssel wollen Großbritannien in seinen Fähigkeiten weiter schwächen, doch bleibt die Verbindung zum größer gewordenen Enkel Amerika eng. Es handelt sich dabei um eine strategische Allianz, die den geschrumpften Großvater gegen die gefährlichsten europäischen Abenteuer stärkt, etwa gegen die Währungsgemeinschaft Euro-Zone. Im Hinblick auf das gefährliche Pakistan erscheint diese Allianz als besonders wichtig.
In seinen Rezensionen zweier England-Bücher (NZZ 29.04.2011, Vom ewigen Niedergang, Franz-Josef Brüggemeier, Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrh. und Thomas Kielinger, Großbritannien) spricht Speckmann im Untertitel vom "Quicklebendigen Großbritannien", aufzählend Kontinuitäten wie die Monarchie und die Elitebildung in Oxbridge. Solche Traditionen stabilisieren das Leben eines Landes tatsächlich, und Deutschland fehlen solche Anker leider.
Doch befindet sich die Monarchie in der Umbildung zum Pop-Königtum und bedient in dieser Eigenschaft das Schaubedürfnis der einfachen Unterhaltungsnachfrager, während Oxbridge versucht, den Wissenschaftsstandard nicht weiter abgleiten zu lassen gegenüber den führenden Universitäten der USA.

Weniger "quicklebendige" Erscheinungen spricht Speckmann aber nicht an: Die einst stolze britische Autoindustrie gibt es nur noch in Restbeständen, ruiniert von den zahllosen Gewerkschaften.
Die großen Werften sind nicht mehr.
Und wo ist denn die Stahlindustrie geblieben? Die Aluminiumhütten? Die Industrie, die im England Abraham Darbys aus dem Boden gestampft wurde? Quicklebendig?
Ach, der Rezensent Thomas Speckmann hat Politik studiert.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Sonderbar, sonderbar






LOBGESANG


Büchern bin ich zugeschworen,
Bücher bilden meine Welt.
Bin an Bücher ganz verloren,
Bin von Büchern rings umstellt.

Zarter noch als Mädchenwangen
Streichl' ich ein geliebtes Buch,
Atme bebend vor Verlangen
Echten Pergamentgeruch.

Inkunabeln, Erstausgaben,
Sonder-, Luxus-, Einzeldruck:
Alles, alles möcht ich haben –
Nicht zum Lesen, bloss zum Guck!

Bücher sprechen ungelesen –
Seit ich gut mit Büchern stand,
Weiss ich ihr geheimstes Wesen:
Welch ein Band knüpft mancher Band!

Bücher, Bücher, Bücher, Bücher
Meines Lebens Brot und Wein!
Hüllt einst nicht in Leichentücher _
Schlagt mich in van Geldern ein!

Karl Wolfskehl, 1932

Dienstag, 24. Mai 2011

Shake you about





Internationaler Botschafter des schlechten Geschmacks und der guten Musik




- Westerwelle: " Wer die Axt an die Wurzeln Europas legt, wird mich als erbitterten Gegner haben." (NZZ 21.5.11)
Meint er Europa? Er meint die Brüsselkratie, die EU. Noch genauer: Er will mit Ablauf seiner Amtszeit als Außenministerlehrling nach Brüssel, er will Kommissar werden.

- Bob Dylan wird 80? Was, so lange ist der schon da? Wie die Zeit vergeht. Und dies kleine Leben umfaßt ein Nuscheln. Das kann er ja wirklich immer besser. An jeder Ecke wird er heute angehimmelt von den Teenies an den Mikrofonen, die heute auch über 60 sind, aber an so einem Tag noch einmal richtig in die Pubertät eintauchen wollen.

Wer da etwas verpaßt hat, kann das in wenigen Minuten nachholen, indem er Frank Zappas Album SHEIK YERBOUTI auflegt und sich FLAKES anhört.

Montag, 23. Mai 2011

Denken, sprechen, handeln








Was wird ein arbeitsscheuer Rumtreiber und Projektemacher?
Ja, genau, Autor.
(Bild: Wiki.)



Die Pfade des Denkens sind mit denen des Sprechens meist eng verschlungen, bei vielen Journalisten laufen sie allerdings oft getrennt nebeneinander her.
Wenn David Hume die Unentwickeltheit der englischen Sprache und besonders deren Grammatik erwähnt (s. Blog v. 21.5.11), so stellt er das in einen übergreifenden Zusammenhang. Hume meint, die Engländer seien zu sehr mit den "großen Auseinandersetzungen in der Religion, in der Politik und in der Philosophie" beschäftigt gewesen, "daß sie keinen Gefallen an den scheinbar kleinen Feinheiten der Grammatik und der Kritik entwickelt haben." Etwas später kommt er in seinem Essay "Über bürgerliche Freiheit" darauf zu sprechen, daß die "drei größten Handelsstädte in Europa" London, Amsterdam und Hamburg seien, "sämtlich freie Städte und protestantische Städte, und damit im Genuß doppelter Freiheit."
Könnte es sein, daß pragmatischer Handelssinn ebenfalls nicht direkt zu sublimer Grammatik führt?
Wir wissen es nicht genau und immer spielt der Zufall eine große Rolle. Protestantische Handelsstädte haben aber zu zweifellos zu größerem Wohlstand geführt, und zweifelsfrei war London die reichste Stadt dieser und der folgenden Zeit. Weswegen sich dutzendweise verarmter Adel vom Kontinent nach London aufmachte zu Heiratshandelsgeschäften: reiche Bürgerstochter bietet Geld, armer Fürst bietet Adelstitel.

Besonders bizarr war die Geschichte des Prinzen Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau und seiner Pappenheimerin Lucie. Sie litten in besonderem Maße an wirtschaftlicher Untüchtigkeit und investierten, wie schon der wirtschaftlich untüchtige altrömische Adel, in standesgemäße Landprojekte. Ohne den geringsten wirtschaftlichen Verstand verpulverten Hermann und Lucie ihr Geld in den Pückler-Park, bis zum finanziellen Ruin. Da traf es sich gut, daß der arbeitsscheue Pückler ein fescher Dandy war, der gute Chancen auf dem Londoner Bürgerbräutemarkt besaß, und so ließen sich Lucie und Hermann der Form halber scheiden zum höheren Geldheiratszwecke.

Geisteswissenschaftler, stets auf der Suche nach nebensächlichen, aber pikanten Themen, können solche Skurrilitäten zu einem ganzen Buch aufblasen, in diesem Fall blies Peter James Bowman, The Fortune Hunter, A German Prince in Regency England, Oxford 2010.

Sonntag, 22. Mai 2011

Tigerraupe









Es gibt nicht nur Janoschs Tigerente, es gibt augenscheinlich auch die Tigerraupe.
Man könnte sie natürlich auch zutreffender 'Wespenraupe' nennen, denn ihre Tarnung ahmt die Zeichnung der Wespe nach und soll die Vögel davon abhalten, sie eigenenergetischen Zwecken zuzuführen.

Dieses Schutzkonzept kommt in der Fauna öfters vor und ist nicht so leicht zu erklären. Thomas Mann verwendet die Mimesis im Motiv der "Hetaera esmeralda" im DOKTOR FAUSTUS, das Phänomen der tarnenden Täuschung thematisiert er im III. Kapitel, in dem er Jonathan Leverkühn, den Vater des Protagonisten, fragen läßt:
"Wie hat das Tier das gemacht? Wie macht es die Natur durch das Tier?"
Der vulgärdarwinistische Ansatz wäre, daß Mutationen im Erbgut zu diesem Aussehen geführt haben, und die Nachkommen dieser getarnten Raupen haben sich stärker vermehrt.
Ein bißchen holperig kommt diese Erklärung daher, allerdings gibt es, wie so oft, keine bessere.