Mittwoch, 5. August 2015

Frische Fische aus Phoenix












Nogales, Sonora/Mexiko und Nogales, Arizona.
Bild aus: Acemoglu und Robinson, “Warum Nationen scheitern”, S. 289
Ein Städtepaar wie Ciudad Juarez und El Paso weiter östlich.
In Mexiko, das weiß man, geht es den Bürgern weniger gut als in den USA.  Acemoglu und Robinson (“Warum Nationen scheitern”, S. 27ff.) dient das Nogales-Städtepaar als Beispiel für ihre Theorie, daß die Institutionen den Unterschied erklären, denn auf beiden Seiten gebe es die gleiche Bevölkerung, da die US-Grenze erst 1853 nach Süden ausgedehnt wurde.
Diese Betrachtung kommt ein bißchen lahm daher. Der Rechtsstaat und die Gewerbefreiheit wurden von Beamten der Zentrale, von Phoenix aus, implementiert. Die neue politische und ökonomische Elite des neuen Gebietes kam aus Arizona. Und das macht einen großen Unterschied. Der Fisch stinkt nicht nur vom Kopfe her, er kann von dort auch gut und frisch riechen. Vergleiche dazu auch das Beispiel der Mennoniten in Paraguay.

Hilfe zur Affektkontrolle - mbG (mit beschränkter Geltung)


Theodor Fontane

1819-1898

Überlaß es der Zeit

Erscheint dir etwas unerhört,
Bist du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuchs nicht mit Streit,
Berühr es nicht, überlaß es der Zeit.
Am ersten Tage wirst du feige dich schelten,
Am zweiten läßt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast du's überwunden;
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.













Montag, 3. August 2015

Elias und die Affekte











Norbert Elias starb am 1.8.1990 in Amsterdam, geboren wurde er 1897 in Breslau.  

Die neomarxistisch-freudianischen Juden waren Mode: Horkheimer und Adorno. Sie intrigierten gegen alles, was nicht in ihre Schublade paßte. Elias zum Beispiel. Das ging lange gut, aber, anders als der von Adorno diskriminierte Golo Mann, war Elias ebenfalls jüdischer Herkunft. Und auf dieser Schiene kam er spät, sehr spät doch noch zur Geltung.
Elias’ Ausgangspunkt ist die „Struktur menschlicher Affekte und ihrer Kontrollen“, er beobachtet in der Geschichte Westeuropas, besonders Frankreichs, „daß der Standard und die Muster der Affektkontrollen in Gesellschaften auf verschiedenen Stufen der Entwicklung und selbst in verschiedenen Schichten der gleichen Gesellschaft verschieden sein können.“ (Elias, Zivilisation, 1969, Einleitung)
Er liefert damit einen Schlüssel zu der Frage, warum Frankreich - obwohl katholisch und die Protestanten seinerzeit verfolgend und austreibend - trotzdem heute zu den wirtschaftlich und zivilisatorisch arrivierten Staaten gehört. (Noch. Der Abwärtstrend ist seit Jahrzehnten unverkennbar.) Die Affektkontrolle erfolgt in Frankreich im recht strengen und wettbewerblich verfaßten Schulsystem von der ecole maternelle bis zu den ecoles nationales superieures, deren Absolventen die Eliten bilden. Dieses System trägt immer noch, doch sind wissenschaftliche Spitzenleistungen seit den Curies und Pasteurs rar geworden. Desgleichen fehlen heute auch die Renaults und Michelins, die Gründung von bedeutenden Unternehmen in Zukunftsfeldern findet nicht mehr statt.






Sonntag, 2. August 2015

Das macht Unterschied








Acemoglu/Robinson, Warum Nationen scheitern, S. 145





Die Leibeigenschaft fesselt einen Großteil der Bevölkerung an Erben, das blockiert die Arbeitskraft einer Gesellschaft doppelt: einmal die Leibeigenen, die sich nicht frei bewegen und entfalten können entsprechend ihrer Begabung, und zusätzlich die Gesellschaft, die durch Grundeigentümer mit ihrer lähmenden, rückwärtsgewandten Erbeneinstellung belastet wird. Daher findet sich bei Acemoglu zurecht eine Karte der Leibeigenschaft in Europa um 1800. Die Einteilung ist aber sehr grob und etwas irreführend geraten. Zunächst dadurch, daß eine moderne Karte benutzt wird.
Griechenland und die Balkanstaaten sind Teile des Osmanischen Reiches und sind deswegen in ihrer Entwicklung extrem behindert, weswegen der Aussage zur Leibeigenschaft keine größere Bedeutung zukommt.
Polen gibt es nach den Teilungen zu dieser Zeit als Staat nicht, für die polnisch besiedelten Gebiete besitzt die Form der Leibeigenschaft allerdings größere Wichtigkeit.
Am drückendsten ist sie im Osten, weniger im Süden und noch weniger im Westen. 1772 verkündet Friedrich II. nämlich für Westpreußen die Bauernbefreiung. Auf den polnischen Adel brauchte er nämlich keine Rücksicht zu nehmen. Die Beschulung in polnischer Sprache im preußischen Teil setzt zudem ganz andere Entwicklungsakzente als die schärfste Leibeigenschaft im russischen Teil ohne Alphabetisierung.
Deutschland wiederum besteht im Jahre 1789 aus 1789 Territorial-Herrschaften - einige wenige, wie Preußen, sind Mittelmächte, die meisten sind so groß wie ein kleines Dorf. In den verschiedenen deutschen Ländern herrschten unterschiedliche Formen der Leibeigenschaft, und sie werden stückweise bis 1807 abgebaut. Auch durch die Aufnahme von hochqualifizierten französischen Calvinisten vor allem in Preußen, die zwar im katholischen Frankreich keine Leibeigenen, aber doch Verfolgte gewesen waren, was weit bedeutsamer ist als eine Erbuntertänigkeit. Für Frankreich war das eine bedeutende wirtschaftliche und kulturelle Schwächung, für Preußen aber (und Baden) eine Stärkung des Arbeitsmarkts und eine Schwächung der Leibeigenschaft, deren Abschaffung Friedrich II. bereits früh angedacht hatte.